Die Heilerin des Kaisers
zeitweiligen Vertreibung der Juden aus der Stadt geführt. Und nun hat sich der jetzige Erzbischof, Herr Erkanbald, erneut davon anstecken lassen.«
Der Pater schien besorgt.
»Ich erinnere mich gut daran, als der König vor zwei Jahren der Stadt einen Besuch abgestattet und der Erzbischof ihm damals wegen der Hebräer in den Ohren gelegen hat. Wider besseres Wissen und gegen meinen eindringlichen Rat ließ Heinrich sich von der Aversion des Kirchenfürsten gegen die Kinder Israels anstecken, obwohl er nie Anlass gehabt hatte, über sie erzürnt zu sein.
Im Gegenteil«, betonte Pater Berchtold, »sie sind strebsam und gebildet sowie des Lesens, Schreibens und Rechnens kundig. Die Männer und Jünglinge widmen sich allesamt dem Studium jenes Buches, das uns Christen als Altes Testament heilig ist. Sie gehen ihrer Profession mit Fleiß und Sachverstand nach, bringen es zu Wohlstand und zahlen pünktlich ihre Steuern und Abgaben.
Ja, um sich Frieden in der Stadt zu erkaufen, taten sie ein Übriges und spendeten reichlich für ihre armen, christlichen Mitbürger oder verliehen Geld – auch dem Erzbischof hatten sie schon einige Male aus der Verlegenheit geholfen und ihn doch nie ermahnt, den geborgten Betrag zurückzuzahlen.«
»Oh, Vater Berchtold«, sagte Griseldis lachend, »Ihr ereifert Euch ja richtig bei der Verteidigung dieser Ungläubigen.«
Aber der Benediktiner ließ sich nicht beirren. »Das alles war Herrn Heinrich wohlbekannt; dennoch lieh er sein Ohr dem Erzbischof sowie gewissen weltlichen Kreisen und ließ sich allerhand über angeblich verbrecherische Gebräuche der Juden einflüstern. Geweihte Hostien sollten sie geschändet und einen christlich getauften Säugling gar ermordet haben. Beweise für die Anschuldigungen blieben sie allerdings schuldig.
Der König, wieder einmal geplagt von seinen Blasensteinen, war nicht in der Lage, die Anklage einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Überdies sah er keinen Grund, an den Behauptungen des hohen Kirchenmannes zu zweifeln.«
»Ich entsinne mich ebenfalls, Vater«, warf Griseldis ein. »Der König ließ damals in Mainz eine Notiz anfertigen, die besagte, dass in der Stadt eine Austreibung der Juden vorgenommen und der Wahnsinn gewisser Häretiker zurückgewiesen wurden.«
»Dass das Ganze so unscheinbar und beinahe wie nebenbei vermerkt wurde, zeigt meines Erachtens, dass der König selbst nicht sehr glücklich war über die Behandlung der Hebräer. Möge GOTT, der HERR, es verhindern, dass erneut so großes Leid über die betroffenen jüdischen Mitbürger komme wie damals, als sie plötzlich heimatlos waren und ihr Hab und Gut zurücklassen und sich wie Bettler davonmachen mussten.«
»Amen, Pater«, entgegnete ehrlichen Herzens die Heilerin. Auch sie argwöhnte, dass der Erzbischof seinerzeit nur eine günstige Gelegenheit gesehen hatte, sich lästige Gläubiger vom Hals zu schaffen.
KAPITEL 77
D IE R EISE GING zügig und ohne besondere Vorkommnisse vonstatten. Überall, wo die Menschen des Königs ansichtig wurden, brach Jubel aus. Griseldis und die Väter Berchtold und Odo konnten nicht verhindern, dass ihnen das grausame Erlebnis in Pavia in den Sinn kam…
Aber dieses Mal schien die Freude der Bevölkerung über das Erscheinen des Herrschers von jenseits der Alpen ehrlich zu sein.
»Kommt, Frau Griseldis, Ihr sollt das wunderbare Stück ebenfalls sehen, ehe die Königin und ich es vom Heiligen Vater segnen lassen«, forderte der König seine Medica am nächsten Tag auf. »Nach der Krönung wollen wir auf dem Rückweg nach Basel reiten, wo das neue Münster eingeweiht werden soll.«
Griseldis glaubte sich zu erinnern, dass dieser Münsterbau am Oberrhein durch eine Schenkung Heinrichs bereits im Jahre 1006 in Angriff genommen worden war. Pater Berchtold hatte ihr einmal erzählt, dass das alte Kirchengebäude im vergangenen Jahrhundert von den damals noch heidnischen Ungarn zerstört worden war und seit zwei Generationen in Schutt und Asche gelegen hatte.
»Seht her, meine Liebe«, rief Heinrich gut gelaunt, »ich werde Euch etwas zeigen.« Als Vater Odo mit einem länglichen, in weiße Leinwand gewickelten Gegenstand herzutrat und ihn behutsam auf einen Tisch legte, blickte der Herrscher voll Stolz darauf nieder.
»Dies werden Frau Kunigunde und ich zum Einweihungsfest des Basler Münsters mitbringen.« Heinrich entfernte eigenhändig das Tuch. Zum Vorschein kam eine goldene Altartafel, die zukünftig zu den
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