Die Heilerin des Kaisers
Eberhard, der ihn auf dieser wichtigen Reise begleitet hatte, ermahnte seinen Herrn zwar eindringlich zur Besonnenheit, aber Herr Heinrich geriet nur noch mehr in Rage.
»In beinahe zwanzig Jahren hat mir Kunigunde kein Kind geschenkt und ich habe sie trotzdem als mein Weib behalten. Ich habe sie nicht verstoßen, wie ich es nach germanischem Recht hätte tun können. Zum Dank für meine Liebe vergilt sie mir mein Wohlwollen mit dem abscheulichsten Betrug, den ein Mann sich vorstellen kann: Sie betrügt mich unter meinem eigenen Dach, in meinem eigenen Ehebett. Pfui! Ich werde sie zum Teufel jagen! So ein ehrloses Geschöpf soll nicht länger Königin sein – oder gar Kaiserin.«
Als Frau Kunigunde davon erfahren hatte, war sie weinend auf die Knie gesunken und hatte bei der Jungfrau Maria und sämtlichen Heiligen ihre Unschuld beschworen.
»Mein Gemahl lässt mich feige im Stich«, soll die hohe Frau ausgerufen haben. »Heinrich hat Angst vor den Bischöfen, weil er rückfällig geworden ist und diese ihm im Wiederholungsfalle mit einer empfindlichen, öffentlichen Kirchenbuße gedroht haben.
Deswegen schämt er sich und duldet es lieber, dass ich als ehrloses Weib vor dem Volk erscheine.
Zudem ist es eine gute Gelegenheit, mich unfruchtbares Weib loszuwerden: Jedermann wird Verständnis für den Herrscher haben, wenn er sich von seiner kinderlosen und dazu noch ehebrecherischen Gemahlin lossagt.«
Dass sich ein verhängnisvoller Fehler eingeschlichen haben könnte, der Kunigundes angebliche Untreue in die Zeit von Heinrichs Abwesenheit von Bamberg verlegte, darauf waren weder die Königin noch der Benediktinerpater Berchtold gekommen.
»Auch der Kanzler sah keinen Grund, das genaue Datum zu beleuchten und dieses zu überprüfen. Der Vorwurf an sich war so entsetzlich – was spielte da der Zeitpunkt der Verfehlung noch für eine Rolle?«, sagte der Mainzer Kaufmann.
»Die arme Königin!« Griseldis liefen die Tränen über die Wangen, so sehr litt sie mit der zu Unrecht Verdächtigten. Voller Anspannung wartete sie auf die Fortsetzung der Geschichte:
Die Herrscherin hatte sich voller Stolz von den Knien erhoben. Ihre Tränen waren versiegt und ihr sonst so sanfter Blick war hart und entschlossen. »Der König wird nicht ernstlich erwarten, dass ich stillschweigend diese ungerechtfertigte Anschuldigung auf mir ruhen lasse. Ich verlange ein Gottesurteil, wie es für Frauen üblich ist, die Ehebrecherinnen geheißen werden.«
Worauf der alte Mönch zutiefst erschrocken auffuhr: »Nein, hohe Frau, nein! Tut das nicht, um CHRISTI willen, nein!«
Aber die Königin hatte das Ordal der glühenden Pflugscharen gewählt, über welche sie mit bloßen Füßen laufen wollte.
Griseldis und alle anderen Zuhörer stöhnten auf.
»GOTT ist mein Zeuge, dass ich mit Seiner und der heiligen Jungfrau Maria Hilfe unversehrt darüberschreiten werde. Das wird allen zum Beweis meiner unangetasteten Ehre gelten«, hatte die Herrscherin angekündigt und eigenmächtig einen Tag festgelegt, an dem das Ereignis stattfinden sollte.
Vater Berchtold, obwohl ein frommer Klostermann, beurteilte diese sogenannten Gottesurteile sehr kritisch. Er wollte das Schlimmste verhüten und verfasste ein Schreiben an den König nach Quedlinburg, wo Heinrich sich noch immer aufhielt. Darin bat er seinen Herrn mit absoluter Dringlichkeit, seiner Gemahlin das gefährliche Schauspiel zu untersagen.
Er versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass das Ganze ein Unternehmen gefährlicher Intriganten war, um Zwietracht zu säen zwischen dem König und seiner Mitregentin, die in Rom zur Kaiserin gekrönt werden sollte.
»Gestattet Eurer Gemahlin nicht, Herr, dass diese sich der entsetzlichen Marter aussetzt und mit verbrannten Füßen ihr weiteres Lehen als Krüppel verbringen muss. Und sagt nicht, Herr, wenn sie unschuldig sei, würden ihre Füße nicht verbrennen. Geht vielmehr davon aus, dass sie es tun – aber nicht, weil Frau Kunigunde Schuld auf sich geladen hat, sondern weil GOTT diese Art Urteile nicht will und daher sein Antlitz von dem Ordal abwenden wird. GOTT lässt sich durch niemanden zwingen, zu Gunsten oder Ungunsten eines Menschen tätig zu werden. GOTT kann eingreifen, muss es aber nicht.«
In der Tat, König Heinrich, der diesen Brief seines alten und vertrauten Beraters mehrere Male aufmerksam gelesen hatte, war tief betroffen und auf einmal sehr nachdenklich. Hatte er womöglich aus gekränkter Eitelkeit und seiner
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