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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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aus ihm heraus, bevor er richtig
nachgedacht hatte. Ünsal schmunzelte und überlegte einen
Augenblick. »Ich glaube, dass irgendwann in jeder Seele sowohl
das Gute als auch das Böse wohnt«, sagte er schließlich.
»Aber ich glaube auch, dass jeder von uns den freien Willen
hat, sich gegen das Dunkle in sich zu entscheiden und das Licht zu
wählen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Egal,
an welchen Gott er glaubt.« Einige Augen weiteten sich
zweifelnd und Ünsal fuhr sich mit einer müden Bewegung über
die Wange. »Vielleicht erkennt ihr irgendwann die
Gemeinsamkeiten, anstatt nach den Unterschieden zu suchen.«
Damit entließ er seine Schüler. Und obschon Falk froh war,
dem Unterricht zu entkommen, gruben sich die Worte des Eunuchen tief
in sein Gehirn ein. Würde ein barmherziger Gott gute Menschen
bestrafen, nur weil sie ohne Absolution in den Tod gerissen wurden?
Er schüttelte die Gedanken ab und folgte den anderen hinaus in
den Hof, wo soeben die Kessel mit dem Nachtmahl an kurzen Ketten
aufgehängt wurden. Da sie vor den übrigen Rekruten den Tag
beendet hatten, mussten sie sich jedoch noch eine Weile gedulden,
bevor die Suppenverteiler ihre Schüsseln füllten. Das
aufgeregte Gemurmel seiner Kameraden verriet, dass er nicht der
Einzige war, den Ünsals Worte verunsichert hatten. Fest
entschlossen, sich nicht von all den Lügen beeinflussen zu
lassen, konzentrierte er sich darauf, wie die feuchte Kälte des
Abends langsam aber unaufhaltsam seine Kleidung durchdrang. Dennoch
schweifte sein Geist immer wieder zu dem zurück, was Ünsal
gesagt hatte. Als eine halbe Stunde später endlich die
erschöpften Kämpfer von ihren Waffenübungen
zurückkehrten, brachten sie Ablenkung und die Furcht vor den
unerbittlichen Ausbildern mit sich. Während diese die jungen
Männer zu dem täglichen Kampfruf aufpeitschten, nistete
sich das Saatkorn der Unsicherheit in Falks Seele ein. Kaum dampfte
der sämige Eintopf in seiner Schale, beugte er sich darüber
und schaufelte das Essen schweigend in sich hinein, während sein
Verstand weiterarbeitete.
        Trotz
der zahllosen Fragen, die ihm durch den Kopf gingen, schlief er in
der kommenden Nacht erstaunlich gut. Erst gegen Morgen erwachte er
scheinbar ohne Grund, doch bevor seine Gedanken sich wieder in
endlosen Schleifen verlieren konnten, erscholl der Weckruf des
Ausbilders. Als er eine halbe Stunde später durch Nebelschwaden
zum Fechtplatz trottete, war er beinahe froh, dass die Anforderungen
des Kampfes seine gesamte Konzentration in Anspruch nehmen würden.
Mit steifen Fingern streifte er sich Kettenpanzer, Haube und Helm
über, wog das Krummschwert in der Hand und wartete darauf, dass
ihm der Fechtmeister einen Gegner zuteilte. »Ihr werdet heute
nicht gegen einen, sondern gegen mehrere Feinde kämpfen«,
trompetete dieser und wies sie an, sich in einen abgesteckten Kreis
zu begeben. »Wer den Kreis verlässt, gilt als gefallen.«
Er brauchte nicht zu erwähnen, was der Lohn war, der denjenigen
erwartete. »Wie schön«, murrte einer seiner
Kameraden, dem das strohblonde Haar wirr in die Stirn hing. »Das
wird ein unglaublicher Spaß!« Ein Hieb aus dem Nichts
ließ ihn aufjaulen. »Ihr redet nicht, ohne gefragt zu
werden!« Donnerte ein weiterer Ausbilder so dicht neben Falk,
dass er zusammenfuhr. »Jeder gegen jeden. Versucht, eure Gegner
nicht zu töten. Andere Regeln gibt es nicht!« Der
Fechtmeister hob die Hand mit dem eigenen Yatağan ,
und sobald er den Arm sinken ließ, stürzten sich die
jungen Männer brüllend aufeinander. Innerhalb weniger
Augenblicke war Falk in einen erbitterten Schlagabtausch mit zwei
kräftigen Rekruten verwickelt, von denen einer allerdings nach
kurzer Zeit von hinten angegriffen wurde. Mit einem Fluch wirbelte
der Bursche herum, warf sich nach links und verschwand kurz darauf im
Getümmel. Falk nützte die Ablenkung dazu, sein Gegenüber
mit einem mächtigen Hieb nach hinten zu drängen, sodass
dieser nur noch zwei Schritte von der Kreislinie entfernt war.
Dankbar darum, dass der Unterricht bei Ünsal seinen Muskeln Zeit
gegeben hatte, sich zu erholen, drosch er auf den Italiener ein, bis
es ihm schließlich gelang, diesen aus dem Rund zu zwingen.
Sofort kamen zwei der Aufpasser herbeigestürmt, um ihn zu
ergreifen und für sein Versagen zu bestrafen. Für die Dauer
eines einzigen Atemzuges war Falk abgelenkt, und als er sich wieder
umwandte, blieb ihm gerade noch genug Zeit, unter einer auf ihn
niedersausenden Klinge

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