Die Heilerin des Sultans
hinwegzutauchen. So dicht pfiff der tödliche
Stahl an seinem Gesicht vorbei, dass er den eisigen Hauch spürte,
mit dem dieser die Luft durchschnitt.
Während
sein Puls sich überschlug, breitete sich ein unangenehmer
Geschmack in seinem Mund aus, der sich verstärkte, als er seinen
Gegner erkannte. Ausgerechnet der Größte!, dachte er und
wich nach hinten aus – in der Hoffnung, die auf ihn
niederprasselnden Schwertstreiche dadurch abzuschwächen. Jeder
der gewaltigen Treffer ließ seine Arme erzittern, die von
Minute zu Minute schwerer wurden. Nach kaum einem Dutzend Hieben
breitete sich das Stechen in seinen Handgelenken zu den Ellenbogen
aus, und schon bald brannten auch seine Schultern wie Feuer. Mit
jeder Bewegung schwand seine Kraft und seine Beine verloren an
Standfestigkeit, bis er schließlich über einen
niedergestreckten Gefährten stolperte. Alle Geräusche
traten in den Hintergrund, als der Hüne ihm mit einem Streich
die Waffe aus der Hand schlug. Als habe jemand die Zeit um ihn herum
angehalten, nahm Falk wahr, wie sich seine Füße vom Boden
lösten, er nach hinten fiel und etwas mit solcher Gewalt auf
seinem Oberschenkel auftraf, dass die Erschütterung wie eine
Welle durch seinen Körper lief. Einige unwirkliche Augenblicke
lang empfand er nichts außer einer seltsamen Erleichterung,
dass er sich nicht aus dem Kreis hatte drängen lassen. Doch dann
kam der Schmerz. Der Aufprall auf dem Boden trieb ihm im gleichen
Moment die Luft aus den Lungen, in dem er den Mund öffnete.
Statt des markerschütternden Schreis, der sich in seiner Brust
aufgebaut hatte, fand jedoch lediglich ein heiseres Röcheln den
Weg über seine Lippen. Als habe jemand sein Bein in Flammen
gesetzt, breitete sich ein solch überwältigender Schmerz
von seinem Oberschenkel her aus, dass ihn Schwärze umfing. Mit
letzter Kraft versuchte er, dem drohend über ihm schwebenden
Krummschwert zu entkommen. Aber bevor er sich zur Seite rollen
konnte, verlor er die Kontrolle über seine Blase und versank in
Dunkelheit.
Kapitel 56
»Bist
du denn gar nicht eifersüchtig auf Hüma?«, erkundigte
sich Gülbahar, der an der Nasenspitze anzusehen war, dass sie
etwas ausheckte. Da Sapphira zwar froh war über die gute Laune
der Gefährtin, allerdings keinerlei Bedürfnis hatte, deren
Torheiten mit ihr zu teilen, schluckte sie die Frage nach dem
Stimmungsumschwung hinunter und schüttelte den Kopf. »Nein«,
erwiderte sie wahrheitsgemäß und hob ein Harnglas an eine
Kerzenflamme. »Ich freue mich für sie.« Gülbahar
legte die Trage mit dem Säugling auf einem kleinen Tisch ab und
zog mit den Zähnen an einem Knoten. Nachdem sie auch den Kopf
des Kindes straff mit Binden umwickelt hatte, hob sie das winzige
Paket auf und stemmte es in die Hüfte. »Sie hat die Ehre
verdient«, fügte Sapphira hinzu und kramte in einem
Arzneischrank. »Ihre Anmut ist vollkommen.« Gülbahar
kniff verwundert die Augen zusammen und begann, die neugeborene
Prinzessin hin und her zu wiegen. »Und ich dachte, du würdest
sie dafür hassen«, stellte sie nüchtern fest und
stupste mit der Fingerspitze auf die weiche Nase des Kindes. Das
hatte ich auch gedacht, fuhr es Sapphira durch den Kopf, aber sie
verriet mit keinem Wimpernzucken, dass Gülbahar recht hatte.
Stattdessen gab sie vor, sich auf das Wiegen der verschiedenen
Arzneien konzentrieren zu müssen. Seit sie erfahren hatte, dass
Hüma von Bayezid Khan als Konkubine erwählt worden war und
eigene Gemächer, Dienerinnen sowie einen Eunuchen zugewiesen
bekommen hatte, war ihr Innerstes in Aufruhr. Es stimmte, dass die
Neuigkeiten ihr einen kurzen Moment des Verdrusses und der Eifersucht
beschert hatten, doch waren ihre Empfindungen in keinster Weise so
heftig wie sie befürchtet hatte. Voller Befremden hatte sie
feststellen müssen, dass sie sogar eher etwas wie Erleichterung
erfüllte. Da sie nicht antwortete, schwatzte Gülbahar
weiter. »Was, denkst du, wird mit Olivera Despina geschehen?«
Bevor Sapphira ihr mitteilen konnte, dass ihr das vollkommen
gleichgültig war und sie das Gerede nicht interessierte, kam
eine Hospitalhelferin in die Apotheke gestürmt und rief atemlos
aus: »Sapphira, die Tabibe braucht Mandragora, ein
Skalpell, Verbände, Rotwein, Amurca , Brenneisen und
Nadeln. Einer der Janitscharen hat eine furchtbare Schwertwunde am
Bein.« Sie griff nach einem Ballen Qazz zur Blutstillung
und verschwand in einem Wirbel aus wehendem Stoff.
Obwohl
Sapphira froh war, der
Weitere Kostenlose Bücher