Die Heilerin des Sultans
einmal sagen«, knurrte er und zerriss das
feine Gewebe ihres Obergewandes. »Zieh dich aus!« Der
Ausdruck auf ihrem engelsgleichen Gesicht bestätigte seinen
Verdacht. Deutlich zeichnete sich nackte Angst in den weit
aufgerissenen Augen ab, die sich mit Tränen füllten.
»Bitte«, hauchte sie erneut. Doch als er drohend die Hand
hob, löste sie mit zitternden Fingern die zahlreichen Broschen
und Schnürungen ihrer aufwändigen Kleidung. Flüsternd
fiel der Stoff zu Boden. Als hätte sie ihm ihren nackten Leib
nicht schon unzählige Male beim Liebesspiel dargeboten,
verschränkte sie schamhaft die Hände vor ihrem Geschlecht
und schlug erneut die Augen nieder. Der Anblick ihres Bauches ließ
Bayezid zischend die Luft einziehen. Die zwar kleine aber deutliche
Wölbung war nicht zu übersehen und ließ nur einen
Schluss zu. Sein Wutschrei ließ sie wimmernd vor ihm
zurückweichen und sich in einer Ecke zusammenkauern. Sie hatte
es gewagt! Sie hatte es tatsächlich gewagt! Mit drei langen
Schritten durchmaß er den Raum, grub die Hand in ihr Haar und
riss sie auf die Beine. Nur mühsam hielt er sich davon ab, ihr
auf der Stelle das Genick zu brechen. »Ist es mein Kind?«,
stieß er heiser hervor und schlug ihr den Handrücken ins
Gesicht, als sie nicht sofort antwortete. »Ist es mein Kind
oder das eines anderen?«, wiederholte er und schüttelte
sie so heftig, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. »Antworte!«,
brüllte er. »Ja«, wisperte sie, »es ist dein
Kind.« Er ließ von ihr ab, als habe er sich verbrannt.
Einige rasende Herzschläge lang starrte er sie lediglich
fassungslos an, bevor er die Faust ballte und sie in ihren Unterleib
trieb. Der Laut, den sie von sich gab, glich keinem Geräusch,
das er je gehört hatte. Zusammengekrümmt ließ sie
sich auf die Knie sinken und versuchte, ihren Bauch zu schützen.
Obschon die Versuchung, auf sie einzuprügeln gewaltig war,
beugte er sich nach einigen Augenblicken zu ihr hinab und spuckte
dicht an ihrem Ohr aus: »Ich hatte dich gewarnt.«
Kapitel 54
Burg
Katzenstein, Spätherbst 1400
Der Anblick
der rostroten Locken, die sich unter einem fadenscheinigen Tuch
hervor kräuselten, ließ Ottos Herz einen Sprung machen. So
viele Wochen waren vergangen, ohne dass seine Männer ihrer
habhaft werden konnten, dass er bereits befürchtet hatte, sie
hätte die Gegend verlassen. Leichtfüßig setzte sie
mit gerafften Röcken über Rinnen und Pfützen hinweg
und schlängelte sich durch die fahrenden Händler, die am
Morgen auf Katzenstein angekommen waren. Der beißende Geruch
von Blut und das Schreien der Schlachttiere lagen in der Luft, die
bereits seit Tagen nach Schnee roch. Nur selten gelang es der
milchigen Sonne, den zähen Nebel zu durchdringen, und Ottos
Kleidung fühlte sich genauso klamm an wie alles in der Burg.
Wenngleich der Winter nahte, trug Helwig ein dünnes
Sommergewand, das sich weich an ihren schlanken Körper
schmiegte. Als sei es das Natürlichste auf der Welt, bahnte sie
sich zielstrebig einen Weg durch Händler, Mägde und Knechte
und blieb lächelnd vor Otto stehen, sobald sie ihn erreicht
hatte. »Ihr habt nach mir suchen lassen«, stellte sie
sachlich fest, und der offene Blick ihrer grünen Augen sandte
ihm einen Schwall Hitze in die Wangen. Als Otto sie lediglich wortlos
anstarrte, verschränkte sie die Arme vor der Brust und wippte
auf den Fußballen auf und ab. »Wisst Ihr, das ist
seltsam«, fuhr sie fort, als entspräche es den üblichen
Höflichkeitsformen, dass der Burgherr schwieg wie ein
verdatterter Tölpel. »Ich war häufig im Dorf, aber
erst heute habe ich von Eurem Wunsch erfahren. Wo haben Eure Männer
denn nach mir gesucht?« Otto riss sich mühsam von dem
Anblick ihres schwanenhaften Halses los und räusperte sich. »Im
Wald«, krächzte er schließlich. »Sie haben den
ganzen Wald durchkämmt, dich aber nie gefunden.« Ihre
Reaktion überraschte ihn. Nachdem sie ihn kurz beinahe mitleidig
gemustert hatte, lachte sie ungezwungen und legte eine Hand an ihre
Wange. »Dabei war ich so oft in Eurem Dorf«, sagte sie
mit einem Unterton, den Otto nicht zu deuten vermochte. »Sie
hätten einfach nur dort nach mir fragen müssen.«
»Aber der Schmied sagte, du wohnst in einer Kate im Wald«,
protestierte Otto und schloss deutlich vernehmbar den Mund, als ihm
klar wurde, dass er sich vor ihr rechtfertigte.
Eine
ihrer feinen Brauen wanderte in die Höhe. »Nun«,
erwiderte sie gelassen, »jetzt bin ich ja hier. Wie kann
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