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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Unterhaltung mit Gülbahar zu entkommen,
zog sich etwas in ihr zusammen und eine ungute Vorahnung sorgte für
ein dumpfes Pochen in ihren Schläfen. Angespannt sammelte sie
die Sachen zusammen, verstaute sie in einem Korb und hastete in den
Teil des Darüssifas, der
eigentlich dem Hekim unterstand. Aber nur
eigentlich, dachte sie verächtlich und bemerkte zu spät,
dass sie nur einen dünnen Schleier trug. Mit der Linken zog sie
das Tuch tiefer ins Gesicht, stieß mit dem Fuß die
Durchgangstür auf und erstarrte, als sie das schwache Blau sah,
das um einen totenbleichen Verwundeten flackerte. Voller Entsetzen
erkannte sie das von einem dunklen Schopf umrahmte, kantige Gesicht,
dessen Fahlheit in furchtbarem Kontrast zu dem Blut auf dem Laken
stand. Ihr Herz setzte aus, und um ein Haar wäre der Korb ihren
Händen entglitten, doch die feste Stimme der Tabibe riss sie vom Abgrund zurück.
»Schnell«, drängte die Ärztin und griff nach
Skalpell und Brenneisen. »Halte das Eisen über die Glut«,
gebot sie und deutete auf ein Kohlebecken. Dann wies sie einen der
männlichen Helfer an, einen Schwamm mit Mandragora zu tränken
und sich bereitzuhalten, falls der Bewusstlose erwachte. Die Qazz auf der klaffenden Wunde
hatte sich bereits mit Blut vollgesogen, und während sie mit
einer Hand einen neuen Ballen darauf presste, zerschnitt die Ärztin
mit der anderen die Hose des Patienten. »Du«, herrschte
die Tabibe einen
Helfer an, »bring mir etwas von dem Memphitischen Stein und
Goldene Wundsalbe.« Heftig blinzelnd beugte sich die Heilerin
dicht über die Wunde, die so tief war, dass der Knochen durch
das Fleisch blitzte. Dann setzte sie das Skalpell an und schnitt die
ausgefransten Ränder zurecht. Während Sapphira sich
bemühte, das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu
bringen, schob sich der Hekim in den Vordergrund und
schielte der Tabibe über
die Schulter. »Ihr steht mir im Licht«, fuhr die Ärztin
ihn an. »Sapphira, wo bleibt das Brenneisen?«
        Mit
butterweichen Knien hob die junge Frau das rot glühende
Instrument aus dem Becken und hielt die Luft an, als die Tabibe das Eisen in die Wunde
drückte, nachdem sie das Pulver des Memphitischen Steins darüber
gestäubt hatte. Während sich der Gestank verbrannten
Fleisches im Hospital ausbreitete, sandte Sapphira ein Stoßgebet
zum Himmel, dass der Patient nicht erwachen würde. Das Gefühl,
dass ihr Brustkorb von mächtigen Armen zusammengedrückt
wurde, verstärkte sich, als die Lider des jungen Mannes
flackerten. Bitte bleib dort, wo du gerade bist!, dachte Sapphira und
presste die Hand vor den Mund, um sich nicht mit einem unbedachten
Laut zu verraten. Als sie das Ausbrennen beendet hatte, beugte sich
die Heilerin erneut über die Verletzung und verengte die Augen
zu kleinen Schlitzen. »Die Wunde ist tief und gefährlich«,
stellte sie fest und warf dem Hekim einen missfälligen Blick
zu. »Sie muss jeden Tag von Eiter und Wasser gesäubert
werden, damit sie austrocknen kann. Sonst besteht die Gefahr, dass
sie von Fäulnis befallen wird.« Der Angesprochene verzog
den Mund zu einer arroganten Linie und erwiderte: Ȇberlasst
das ruhig mir.« »Ich überlasse es euch, wenn ich
sicher bin, dass alles Nötige getan wurde, um das Schlimmste zu
verhindern«, schoss die Tabibe zurück und griff nach
dem Tiegel, der das unguentum
aureum – die Goldene
Wundsalbe – enthielt. Sie hatte gerade den Finger
hineingetaucht, als die äußere Pforte des Hospitals
aufgestoßen wurde und zwei Wachen des Sultans den Gang
entlangtrampelten. Bei der kleinen Versammlung angekommen, bellte
einer von ihnen: »Der Padischah verlangt nach dem Trank.
Jetzt.« Verwundert bemerkte Sapphira, wie ein Schatten über
das Gesicht der Ärztin huschte, bevor diese sich mit einem
Seufzen erhob und zu ihr sagte: »Bestreiche den gesamten
Bereich mit Salbe. Dann leg einen lockeren Verband an. Die Wunde muss
atmen können, und die Binden dürfen nicht zu fest am Bein
kleben.« An den Hekim gewandt knurrte sie: »Meine Cariyesi besitzt
mein volles Vertrauen. Ihr seid mir unterstellt, und ich befehle
Euch, ihr nicht im Weg zu sein.« Mit diesen Worten bedeutete
sie den Janitscharen zu warten und eilte in Richtung Arzneilager
davon, aus dem sie kurz darauf mit einer kleinen Flasche
zurückkehrte.
        Wenngleich
es ungewöhnlich war, dass die Wachen des Sultans im Hospital
auftauchten, vergaß Sapphira den Zwischenfall, sobald ihre
Fingerspitzen die Haut des Verwundeten berührten.

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