Die Heilerin des Sultans
ich
Euch helfen.« Otto beobachtete fasziniert, wie sich ein Haar in
ihrem Mundwinkel fing, und sie es mit einer grazilen Bewegung
befreite. Er schluckte trocken. »Ich brauche …«,
hub er an, unterbrach sich jedoch, als sein Verwalter auf ihn
zugeeilt kam und die junge Frau instinktiv einen Schritt zurücktrat.
»Was ist?!«, spuckte er ungehalten aus, da das, was er
Helwig gerade hatte fragen wollen, ihm schwer genug fiel. »Einer
der Bauern bittet um Aufschub bei den Abgaben«, setzte der Mann
ihn in Kenntnis und warf dem Kräuterweib einen eindeutig
furchtsamen Seitenblick zu. »Seine Frau ist krank und einer
seiner Söhne ist im Sommer gestorben. Wenn er Euch die
geforderte Menge abtritt, wird er den Winter nicht überleben.«
Mit einem Schritt in Richtung Hof brachte er etwas mehr Abstand
zwischen sich und Helwig, die in geduldiger Pose verharrte. Otto
schnaubte. Wenn er nicht erst die zeitraubende Erfahrung gemacht
hätte, wie schwierig es war, in diesen Zeiten Tagelöhner zu
finden, hätten ihn die Probleme des Bauern nicht interessiert.
So allerdings knurrte er: »Dann bleibt er mir den Rest bis
nächstes Jahr schuldig.« Damit gab er seinem Verwalter ein
Zeichen zu verschwinden und wandte sich wieder Helwig zu. Einen
kurzen Augenblick vermeinte er, eine nicht näher bestimmbare
Empfindung in ihren Augen zu lesen, doch dann erstrahlte ihre Miene
in einem Lächeln. »Ihr braucht …?«, knüpfte
sie dort an, wo er abgebrochen hatte. Otto rieb sich die Stirn und
bedeutete ihr, ihm in einen der Burggärten zu folgen. »Hier
sind wir ungestört«, sagte er mit einem Blick über
die Schulter und beugte sich zu ihr hinab, sodass seine Lippen ihr
Ohr beinahe berührten. »Beherrschst du die Schwarze
Magie?«, fragte er heiser und zuckte zurück, als sie ein
kurzes, hartes Lachen ausstieß und ihn anfunkelte. »Wer
hat das behauptet?«, fragte sie eisig. »Egal, was für
Lügen Euch die Dorfbewohner aufgetischt haben, Ihr solltet keine
einzige davon glauben!« Sie reckte das Kinn vor. »Ich
heile ihre Kinder mit Tränken, die aus harmlosen Kräutern
bestehen. Ich gebe Rat, wo Rat gefragt ist, und ich kümmere mich
um ihre Verletzungen. Wer Euch etwas anderes erzählt hat, ist
ein Lügner!« Ihre Unterlippe bebte leicht, und ihre Augen
verdunkelten sich.
Otto
begriff. Sie hatte Angst, dass er sie für ihr Tun bestrafen
wollte. Dass er wie so viele fürchtete, sie sei mit dem Teufel
im Bunde. Ein trockener Laut stieg in seiner Kehle auf – war es
doch genau das, was er hoffte. »Du verstehst mich nicht«,
gab er deshalb bedächtig zurück, »ich will dich für
deine Dienste bezahlen.« Er hob die Rechte und zog das Kruzifix
hervor, das ihn von Tag zu Tag mehr störte. Mit einem Ruck riss
er sich den ledernen Riemen vom Hals, spuckte auf das kleine
Holzkreuz und schleuderte es in den Schlamm. »Glaubst du mir
jetzt?«, fragte er aufgebracht und zog den Kopf ein, als
fürchte er, ein Blitz könne vom Himmel auf ihn herabfahren.
»Ich habe nach dir suchen lassen, weil ich hoffe, dass du die Schwarze Magie
beherrschst.« »Ich dachte, Ihr wäret ein gläubiger
Mann«, gab Helwig erstaunt zurück und fasste ihn näher
ins Auge. Während sie ihn mit ausdrucksloser Miene ansah, malten
ihre Hände kaum wahrnehmbar Zeichen in die Luft, bis sie nach
einiger Zeit schließlich nickte. »Sprecht Euren Wunsch
aus, und ich werde ihn dem Gott dieser Welt vortragen. Aber seid
gewarnt. Ich stehe unter seinem Schutz. Solltet Ihr mich hintergehen
wollen …« »Ich will dich nicht hintergehen.«
Ottos Herz raste, als ihm klar wurde, dass er dabei war, seine Seele
unwiederbringlich an den Teufel zu verpfänden. Innerhalb weniger
Augenblicke schossen ihm so viele Gedanken und Fragen durch den Kopf,
dass dieser sich anfühlte, als ob er zerspringen wollte. Er
drückte die Knöchel gegen seine Schläfen und holte
tief Luft. »Ich möchte, dass du einen Schadenszauber für
mich wirkst«, stieß er schließlich hervor. »Einen
Zauber, der so mächtig ist, dass kein Pfaffe ihn wieder aufheben
kann.« Wäre er nicht so sehr mit seinen eigenen Gefühlen
beschäftigt gewesen, hätte er einen Schatten der
Belustigung über Helwigs schönes Gesicht huschen sehen.
Stattdessen schloss er die Augen und wartete auf ihre Antwort. Diese
kam zögernd.
»Dazu
brauche ich einen Gegenstand desjenigen, den ich mit dem Zauber
belegen soll«, erklärte sie. »Ansonsten ist meine
Kunst wirkungslos.« Sie dachte eine Zeit lang nach und
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