Die Heilerin des Sultans
gestreckt – vor ihr in den Kissen, beugte
sie sich über ihn und erklärte: »Ich muss Euch
berühren.« »Dann berühre ihn, bei allen Engeln
des Himmels!«, brauste der Großwesir auf und baute sich
am Kopfende des Diwans auf. »Berühre ihn!«
Aufgeregt, weil alle Augen im Raum auf ihr ruhten, legte Sapphira die
Hände auf Bayezids Rücken und begann, vorsichtig seine
Muskeln zu kneten. Zuerst verkrampfte er unter ihr, aber nach wenigen
Augenblicken erschlaffte er und begann, ruhiger zu atmen. Behutsam
tastete sie seine Wirbelsäule ab, bis sie die richtige Stelle
fand. Ohne lange nachzudenken, presste sie die Finger gegen den
Wirbel, bis dieser mit einem kaum vernehmbaren Geräusch an die
richtige Stelle zurückrutschte.
Zuerst
geschah gar nichts. Dann gab Bayezid einen Laut von sich, der halb
Ächzen, halb Prusten war. Vorsichtig hob er den Kopf, drehte ihn
einige Male hin und her und rollte sich schließlich auf den
Rücken. Einige Atemzüge lang blieb er flach liegen, bevor
er sich auf die Ellenbogen stemmte und sich aufrichtete.
Ungläubigkeit lag in seinem Blick, als er mehrmals den
Oberkörper vor und zurück bewegte. »Er ist fort!«,
rief er aus. »Der Schmerz ist fort!« Sapphira spürte
den hasserfüllten Blick des Hekims mehr als dass sie ihn sah.
Wortlos legte sie die Handflächen aneinander und verneigte sich.
»Belohnt sie, Ali«, befahl Bayezid dem Großwesir
und schwang die Beine aus dem Bett. »Ich fühle mich wie
neugeboren!« Dieser Aufforderung schien der Wesir nur zu gerne
nachzukommen, da er sowohl Sapphira als auch der Tabibe eine beträchtliche Summe
in die Hand zählte. Fassungslos starrte Sapphira auf den
unerwarteten Schatz, den sie hastig in ihrer Entari verstaute, als zwei
Janitscharen auftauchten, um sie zum Darüssifa zurückzugeleiten. Dort
angekommen, sank sie erst einmal auf einen Schemel nieder und
versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte den Sultan berührt!
Was hätte sie noch vor einem halben Jahr für diese Ehre
gegeben! Ihre Fingerkuppen kribbelten, aber das Gefühl war eher
störend als angenehm, und sie hatte das Bedürfnis, sich die
Hände zu waschen. Was vor Kurzem noch ein Traum gewesen war,
hatte sich in eine Pflicht verwandelt, die es zu erfüllen galt.
»Ich fürchte, du hast dir einen Feind fürs Leben
gemacht«, stellte die Tabibe mit einem freudlosen Lächeln
fest und sah Sapphira mit ihren stumpfen Augen an. »Diese
Demütigung wird der Hekim nicht so schnell vergessen.«
*******
»Das
glaube ich nicht!«, rief Hans Schiltberger aus und pfefferte
Stiefel und Gürtel achtlos auf den Boden neben einen Strohsack.
Wie Falk und die übrigen Stallknechte und Sipahi- Burschen
schlief auch er auf einem der Heuböden über den Ställen,
um ohne Verzögerung zur Hand zu sein, wenn die königlichen
Reiter nach Hilfe verlangten. » Du warst das?« Er
klopfte sich den Hosenboden ab rollte die Schultern. » Du hast dem Sultan das Leben gerettet?« Seine Wangen glühten.
»Ich habe einfach nicht nachgedacht«, erwiderte Falk und
zuckte die Achseln. »Wenn ich das hätte, wäre ich
jetzt vermutlich nicht hier.« Auch wenn sein Gegenüber
versuchte, den Neid zu verbergen, zeichnete er sich deutlich auf
seinem geröteten Gesicht ab. »Das ist eine größere
Ehre als zum einfachen Reiter ernannt zu werden«, brummte der
blonde Bayer und ließ sich auf den Sack fallen. Er wackelte
mürrisch mit den Zehen, während er mit den Fingern den
zerzausten Schopf kämmte. Falk betrachtete ihn befremdet. Warum,
um alles in der Welt, verschwendete Hans seine Kraft darauf, in der
Armee des Sultans aufsteigen zu wollen? Er erinnerte sich an die
Geschichten, die der Landsmann ihm im Hospital erzählt hatte,
und verkniff sich nur mit Mühe ein Naserümpfen. Hans war
ein Wichtigtuer. Das war ihm bald klar geworden, da dieser bei seinen
Geschichten allzu offensichtlich übertrieb. Er dachte einen
Augenblick nach und eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an. Aber
warum sollte er das Wissen des anderen nicht für sich nutzen?
Vielleicht konnte er dessen Aufschneiderei dazu nutzen, Fehler zu
vermeiden, die dieser bereits begangen hatte. »Erzähl mir
noch mal von eurem Fluchtversuch«, bat er deshalb und ließ
sich Hans gegenüber nieder. »Warum hat man euch so schnell
gefasst?« Der Bayer hob langsam den Kopf und sah ihn an, als
habe er den Verstand verloren. »Bist du von allen guten
Geistern verlassen?«, zischte er, als er begriff, was Falk mit
seiner Frage bezweckte. »Willst
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