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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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du tatsächlich all das«,
er breitete die Arme aus, »dafür aufs Spiel setzen, dem
sicheren Tod in die Arme zu laufen?« Falk blinzelte erstaunt.
»Wenn du mit diesem Hengst fliehst«, fügte
Hans nüchtern hinzu, »dann hast du innerhalb eines halben
Tages jeden einzelnen Osmanen auf dem Hals!«

Kapitel 71
     
    Bursa,
Sommer 1401
     
    Vier Monate
später preschte Falk auf Shaitan über eine staubige
Straße auf die Küstenstadt Kios zu, die kaum 20 Meilen von
Bursa entfernt lockte. Die glitzernde Oberfläche des
Marmarameers war bedeckt von zahllosen Segeln in allen Formen und
Farben; und anders als der Hafen, in dem die Galeere mit den
Militärsklaven gelandet war, wirkte Kios reich, üppig und
vollkommen sorglos. Weitläufige Olivenhaine bedeckten die
sanften Hügel so weit das Auge reichte, und etwas weiter
nördlich erstreckte sich ein riesiges Waldgebiet. Ein
Waldgebiet, in dem Falk vorhatte, sich in Luft aufzulösen,
sobald er zur Flucht bereit war. Vorbei an Frauen, Kindern und Hirten
trabte er in Richtung Stadtzentrum, um nach einem Schiff Ausschau zu
halten, das auf dem Rückweg nach Venedig war. Als Teil der
Handelsroute nach China bildete der Hafen einen wichtigen Knotenpunkt
der Seidenstraße. Und noch immer hatte Falk die Hoffnung nicht
aufgegeben, irgendwann einen deutschen Kapitän ausfindig zu
machen, der ihn etwas außerhalb des Hafens aufnehmen und in
seiner Mannschaft verbergen würde. Allerdings genügte auch
heute ein Blick auf die bemalten Segel und Banner, um diese Hoffnung
im Keim zu ersticken. Enttäuscht kämpfte er sich noch eine
Weile durch das Gewimmel und lauschte auf das beinahe babylonische
Sprachgewirr. Doch keiner der Seeleute schien auch nur aus der Nähe
seiner Heimat zu kommen. »Wenn es so weitergeht, war das mein
letzter Zug«, hörte er einen Türken schimpfen. »Drei
Schiffe versenkt, die halbe Ladung auf dem Grund des Schwarzen
Meeres! Dieser Timur Lenk kontrolliert die gesamte Seidenstraße.«
Sein ausgefranster Bart wippte auf und ab, als er wild gestikulierend
von einem Überfall erzählte, in dessen Verlauf er beinahe
getötet worden wäre. Desinteressiert trabte Falk weiter und
widerstand der Versuchung, Shaitan einfach irgendwo anzubinden
und sich unter die Händler zu mischen. Ohne eine sichere
Möglichkeit, das Osmanische Reich zu verlassen, hatte eine
Flucht keine Aussicht auf Erfolg – mit dieser Einschätzung
behielt Hans Schiltberger zu seinem Verdruss recht.
        Er
lächelte dünn, als sich trotz allem Erleichterung zu der
Enttäuschung gesellte. Zwar lockte die Freiheit mit jedem
Ausritt mehr, aber es gab etwas, oder vielmehr jemanden, der ihn an
den Palast in Bursa fesselte. Sein Herz zog sich zusammen, als die
wohlbekannte Sehnsucht ihn übermannte. Seitdem er das Hospital
verlassen hatte, hatte er Sapphira nur zweimal zu Gesicht bekommen –
und das auch nur aus der Ferne. Allmählich begann ihr Gesicht in
seinen Träumen zu verblassen, und der drohende Verlust dieser
Erinnerung war beinah genauso schmerzhaft wie der Verlust seiner
Eltern. Wohingegen sich die Trauer um Vater und Mutter inzwischen
hinter eine Tür in seinem Verstand zurückgezogen hatte, die
sich ohne sein Zutun nur noch selten öffnete, fühlte er
sich ohne Sapphira von Tag zu Tag zerrissener und hohler. Mit leerem
Blick lenkte er den Hengst zurück auf die Hauptstraße und
suchte in den Wolken nach etwas, das ihm helfen würde, ihr Bild
ohne Lücken heraufzubeschwören. Nach einer Weile gab er
allerdings frustriert auf und schlug den Weg nach Bursa ein. Es war
seltsam: Irgendwann im Laufe des Sommers war sein altes Leben
verblasst, war zu etwas geworden, das man ihm genommen hatte und das
er zurückgewinnen wollte. Aber es gab nichts, das er so sehr
begehrte, wie dieses Leben mit Sapphira zu teilen. Er gab Shaitan die Sporen und donnerte
vorbei an Eseltreibern, einachsigen Karren und Kamelen. Auch wenn
Ünsals Beteuerungen, dass sein Glaube der ältere und wahrhaftigere war, ihn nicht überzeugt
hatten, war der Glaube an einen gnädigen Gott verlockend. Und
manchmal ertappte Falk sich dabei, wie er nach Anzeichen suchte, dass
dieser Teil der Lehre der Wahrheit entsprach. Er schürzte die
Lippen und wich einem halben Dutzend königlicher Reiter aus, die
– wie er – ihre Pferde bewegten. Seine Gedanken kehrten
zu Sapphira zurück. Wenn es ihm doch nur endlich gelingen würde,
ihr eine Nachricht zukommen zu lassen! Dann könnte er sie
bitten, das Wagnis der Flucht einzugehen und mit

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