Die Heilerin des Sultans
ihrem Korb. »Warte
in dem kleinen Garten auf mich«, flüsterte sie. Laut sagte
sie: »Der Hekim wird
deinem Freund helfen. Schick ihn heute noch zu ihm.« Damit
zupfte sie ihre Röcke zurecht und setzte ihren Weg fort. Mit
feuchten Handflächen und hämmerndem Herzen gab Falk vor,
mit Shaitan zu
ringen, bevor auch er sich von der Stelle bewegte.
*******
Einige
Schritte lang wandelte Sapphira wie auf Wolken. Ihr Sehnen war erhört
worden! Wochen- und monatelang hatte sie sich erfolglos gewünscht,
Falk wiederzusehen; hatte sich für ihren Eigennutz gehasst, da
die einzige Möglichkeit dazu Schmerz und Leid für ihn
bedeuten musste. Und dann tauchte er wie aus dem Nichts vor ihr auf,
und alles war wieder wie an seinem Krankenlager. Die sanften Augen,
deren Farbe mit nichts zu vergleichen war, das sie kannte, der
energische Mund, die Grübchen an Kinn und Wange und die
überwältigende Sicherheit, dass er ihre Gefühle
teilte. Ihr Atem stockte, als sie sich ausmalte, wie es sein würde,
ihn wieder zu berühren und die Hand auf seine Wange zu legen,
wie sie es so oft im Hospital getan hatte. Wie es sich anfühlen
würde, wenn sich die Wunde in ihrem Herzen endlich wieder
schließen würde. Doch dann löste sich das
überwältigende Glücksgefühl schlagartig in
Wohlgefallen auf und lähmende Furcht trat an seine Stelle. Was
hatte sie getan? Kälte breitete sich in ihr aus, als ihr klar
wurde, dass sie Falk in Gefahr brachte. Dass ihr Leichtsinn und ihre
Dummheit sie beide das Leben kosten konnte. Mit einem Mal
schwindelig, griff sie sich an den Kopf und suchte den Schatten einer
Arkade, die ihr Schutz vor neugierigen Blicken bot. Wie hatte sie nur
so töricht sein können? Sie unterdrückte ein Stöhnen.
Trotz der Hitze des Tages fror sie plötzlich. Wenn man sie bei
einem heimlichen Treffen ertappte, drohte ihnen dasselbe Ende wie
Gülbahar und Andor! Es war, als triebe ihr jemand eine Klinge
mitten ins Herz. Sie musste ihn warnen – ihm sagen, dass er auf
keinen Fall tun sollte, was sie ihm in ihrer Einfalt gesagt hatte!
Dass er sich von ihr fernhalten musste, koste es, was es wolle. Dass
das, wonach sie sich beide so sehnten, den Tod bedeuten würde.
Ihre Hand umklammerte die Taube an ihrem Hals, während ihr
Verstand fieberhaft arbeitete. Wie, um alles in der Welt, sollte sie
ihn auf die Gefahr hinweisen, in die sie ihn gelockt hatte? Ein
trockener Laut entrang sich ihrer Kehle, als sie begriff, dass es
dafür zu spät war.
Kapitel 72
Mucksmäuschenstill
schlich Falk über den Heuboden und stieg die Leiter hinab in die
Boxengasse, die in völliger Dunkelheit lag. Unten angekommen,
tastete er nach einem Strohballen, ließ sich darauf nieder und
schlüpfte mit angehaltenem Atem in seine Stiefel. Dann lauschte
er einige Herzschläge lang in die Dunkelheit, bis er sicher sein
konnte, dass er niemanden geweckt hatte. Die Aufregung machte ihm die
Kehle eng. Wenn man ihn bei diesem nächtlichen Ausflug ertappte,
war es um ihn geschehen, aber seine Sehnsucht nach Sapphira war
größer als die Furcht um sein Leben. Auf Zehenspitzen
huschte er den Gang entlang, entriegelte das Stalltor und schlüpfte
durch einen Spalt ins Freie. Die sternenklare Nacht wurde von einem
Halbmond erhellt, in dessen Licht er deutlich die Zypresse erkennen
konnte, die Sapphira ihm gezeigt hatte. Vorbei an Nebengebäuden
und einem Gestell zum Trocknen von Gras gelangte er nach wenigen
Augenblicken zu der hohen, mit eisernen Stacheln gespickten Mauer,
hinter der sich die Umrisse des Palastes abzeichneten. Als er direkt
am Fuße des gewaltigen Baumes angelangt war, blickte er sich
suchend um und entdeckte nach einiger Zeit eine Lücke zwischen
zwei dicht belaubten Büschen. Er bog vorsichtig die Äste
auseinander, und tatsächlich verbarg sich hinter den Sträuchern
eine kleine Tür, die kaum von dem dunklen Stein zu unterscheiden
war. Sein Mund fühlte sich plötzlich trocken an. Mit
unsicheren Händen zog er an dem verrosteten Eisenring und schrak
zusammen, als sich die Tür mit einem leisen Knarren öffnete.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Einige Augenblicke verharrte er
regungslos, doch dann gewann das Verlangen, Sapphira in die Arme zu
schließen die Oberhand, und er betrat den kleinen Garten.
Ein
Vogel stieß einen lang gezogenen Ruf aus, der ihn
zusammenfahren ließ. Unsicher zwängte er sich zwischen
einem dornigen Rosenbusch und einem Baum mit tief hängenden
Ästen hindurch und erstarrte, als zu seiner Linken
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