Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Büsche und Bäume schoben
bereits Knospen. Nach den kalten und dunklen Tagen der vergangenen
Monate drängte es Otto ins Freie, und der Ritt nach Ulm brannte
ihm seit Wochen auf der Seele. »Gib mir einen der Knechte als
Begleitschutz mit«, fordert Helwig und reckte das bleiche
Gesicht der Sonne entgegen. Die winzigen Sommersprossen auf ihrer
Nase und ihren Wangenknochen waren im Winter verblasst – genau
wie der satte Rotton ihres Haares. »Ach ja«, setzte sie
beiläufig hinzu, »der Schmied war gestern hier, um die
Pferde neu zu beschlagen.« Sie blies sich eine Locke aus dem
Gesicht. »Ich habe kurz mit ihm gesprochen. Er braucht Eisen
und bittet um Erlaubnis, ebenfalls in die Stadt reisen zu dürfen.«
Otto schob die Brauen zusammen und strich sich mit dem Finger über
den Nasenrücken, während er über den Vorschlag
nachdachte. Warum nicht? Sicherlich würden die Größe
und Statur des Schmiedes Wegelagerer davon abhalten, den kleinen Zug
zu überfallen. »Wann willst du aufbrechen?«, fragte
er. »Je früher, desto besser«, erwiderte Helwig mit
einem Blick auf ihren Bauch, der sich allmählich unter ihrer
Kleidung abzeichnete.
        »Es
wird alles genauso geschehen, wie ich es dir gesagt habe«,
beruhigte sie Otto, als dieser sorgenvoll die Stirn runzelte. Sie
senkte die Stimme. »Wenn wir Katzenstein am Dienstag verlassen,
sind wir spätestens am Donnerstag in Ulm. Dort mieten wir uns in
einer Herberge ein und ich kann in aller Ruhe den Zauber wirken.«
Sie hob die Hand zu der hässlichen, verschrumpelten Knolle, die
sie an einem Lederband um ihren Hals trug. »Wenn wir am Sonntag
nicht zurück sind, kannst du uns folgen. Aber ich bin mir
sicher, das wird nicht nötig sein.« Sie zog das wollene
Tuch von ihrem Haar und legte es sich um die Schultern. »Niemand
wird erfahren, wer ich bin«, versprach sie Otto und reichte ihm
die Hand, damit er ihr die steile Treppe hinabhelfen konnte. Unten
angekommen, ließ sie ihn wissen: »Ich bin mit Gertrud im
Kräutergarten, falls du mich suchst.« Mit dieser knappen
Verabschiedung schritt sie in Richtung Bergfried davon und verschwand
in dem Torbogen, der in den innersten Teil der Ringburg führte.
Otto zog den Filzhut vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
Warum sorgte er sich überhaupt um sie? Stand sie nicht unter
einem wesentlich mächtigeren Schutz als er ihn ihr jemals bieten
konnte? Das Unwohlsein, das er seit der Hochzeit immer wieder
verspürte, verstärkte sich. Hoffentlich hatte sie recht,
was die Macht ihres Herrn anging. Wenn nicht, hatte Otto nicht nur
seine Seele an den Falschen verkauft, sondern sich obendrein eine
Ewigkeit unvorstellbarer Qualen eingehandelt. Er wischte den Gedanken
beiseite. Der Erfolg würde zeigen, dass er auf das richtige
Pferd gesetzt hatte. Und wenn nicht, gab es sicher den einen oder
anderen Weg, sich Absolution zu erkaufen. Er stieg über einige
herumliegende Balken hinweg und steuerte auf seine Stallungen zu. Das
einzig Wichtige war, endlich Falks Zucht in die Hände zu
bekommen und den eigenen Reichtum so weit zu mehren, dass er sich
alle Pfaffen dieser Welt kaufen konnte. Reue des Herzens und
Sündenbekenntnis, zur Not selbst Almosen und Pilgerfahrten –
das alles würde er sich leisten können, wenn sein Erbe
endlich wieder ihm gehörte. Er lächelte dünn, als ihm
klar wurde, dass Buße nicht mehr nötig sein würde,
wenn Lutz Metzler endlich einen Klafter tief unter der Erde lag.

Kapitel 70
     
    Bursa,
Frühjahr 1401
     
    » Ich werde mich um ihn kümmern!«, brauste der Hekim auf
und stieß Sapphira unsanft zur Seite. »Er hat nach mir verlangt!« Der Page schüttelte aufgeregt den Kopf.
»Nein, Herr«, widersprach er scheu, »der Großwesir
hat mir aufgetragen, auch die Heilerinnen mitzubringen.« Er
zuckte hilflos die Achseln. »Ihr müsst Euch beeilen.«
Wie schon so oft, war Sapphira auch heute froh über den Schutz,
den die Yashmak – der dichte Schleier – ihr bot,
da der Hekim ansonsten das verächtliche Zucken ihrer
Mundwinkel gesehen hätte. »Warte hier«, trug sie dem
Knaben auf. »Ich bin sofort zurück.« Mit wehender Entari hastete sie in den benachbarten Teil des Hospitals und
kramte die Medikamente zusammen, die sie in Anbetracht der
Beschreibung des Leidens für nötig erachtete. Dann verließ
sie die Apotheke und machte sich auf die Suche nach der Tabibe, die sie bereits erwartete. »Wir dürfen keine Zeit
verlieren«, drängte die Ärztin – scheinbar über
alles informiert –

Weitere Kostenlose Bücher