Die Heilerin des Sultans
und griff nach Sapphiras Arm. Als die beiden
zu den Männern zurückkehrten, rümpfte der Hekim abfällig die Nase und murmelte: »Eine Blinde und ein
Lehrling. Wunderbar!« »Ich mag blind sein, aber nicht
taub«, wies ihn die Tabibe frostig zurecht und wandte
den Kopf dorthin, wo sie ihn vermutete. »Und Sapphira ist kein
Lehrling, sondern meine Nachfolgerin, der Ihr genauso unterstellt
sein werdet wie mir. Gehen wir.« Das Zuschnappen seines Mundes
war deutlich vernehmbar. Mit steinernem Gesicht drückte er
seinem Helfer eine Tasche in die Hand und stürmte aus dem
Hospital. Während die kleine Gruppe auf das Palasttor zueilte,
zog sich Sapphiras Magen krampfhaft zusammen und kalter Schweiß
trat aus ihren Poren. Bange dachte sie daran zurück, was
geschehen war, als der Sultan das letzte Mal nach der Ärztin
hatte schicken lassen. Unbewusst klammerte sie sich fester an die Tabibe und versuchte, die Angst zu verdrängen. »Mach
dir keine Sorgen«, flüsterte die Ältere. »Dieser
Prahler wird den Vortritt für sich beanspruchen, weil er ein
Mann ist. Wir werden uns so lange im Hintergrund halten, bis wir zum
Handeln aufgefordert werden.«
Wenig
später fanden sie sich vor der goldbeschlagenen Tür wieder,
hinter der sich die Gemächer des Sultans befanden. »Lasst
sie ein«, sagte der Wesir, der sich unterwegs zu ihnen gesellt
hatte, und die Leibwächter traten zur Seite. Wie erwartet,
schwirrte ein aufgeregter Schwarm Höflinge um das Bett des Padischahs ,
der sich beide Hände auf die Brust presste. »Endlich!«,
rief einer der Aghas aus
und packte den Hekim am
Ärmel seines Gewandes. »Er ist vom Pferd gestürzt und
hat furchtbare Schmerzen!« Den beiden Frauen warf er lediglich
einen geringschätzigen Blick zu und bedeutete ihnen, in der Nähe
der Tür zu warten. Zögernd trat der Arzt an das Lager des
Kranken und verneigte sich tief. Kaum hatte Bayezid schwach genickt,
fasste er nach seinem Arm und fühlte ihm den Puls. »Er hat
Krämpfe und sein Herzschlag ist unregelmäßig«,
stellte er salbungsvoll fest und zückte die Fliete, die er an
seinem Gürtel befestigt hatte. »Ich werde ihn zur Ader
lassen und ihm krampflösende Kräuter verabreichen.«
An seinen Helfer gerichtet, sagte er: »Bereite ein Gemisch aus
Rosmarin, Salbei und Thymian zu je einem Teil.« Dann beugte er
sich über den Sultan und öffnete eine Ader an seinem Arm.
Während das Blut in ein Gefäß rann, versuchte
Sapphira sich einzureden, dass Bayezid sie mit Ehrfurcht erfüllte;
dass die rote Farbe um ihn herum eine Täuschung war. Doch nach
wenigen Augenblicken wurde ihr bewusst, dass sie sich selbst belog.
Mit überwältigender Klarheit begriff sie, warum sie sich
gewünscht und gleichzeitig befürchtet hatte, dass der Padischah die
gleichen Gefühle in ihr weckte wie früher; warum sie
gehofft hatte, dass sein Anblick die Illusion der Liebe, die haltlose
Schwärmerei für einen einfachen Militärsklaven
zerstören und sie zur Vernunft bringen würde. Sie
unterdrückte ein Seufzen, als der Strohhalm, an den sie sich
geklammert hatte, zerbrach und sie sich eingestand, dass das, was sie
in Bayezids Nähe empfand, nicht einmal annähernd mit dem zu
vergleichen war, was Falk in ihr auslöste.
Ein
zorniger Ausruf schreckte sie aus den Gedanken auf. »Du machst
es nur noch schlimmer!«, erboste sich der Großwesir, da
das Gesicht des Sultans inzwischen einen ungesunden Grauton
angenommen hatte. » Tabibe .«
Er bedeutete den Frauen, näher zu treten und bedachte den Arzt
mit einigen unschönen Ausdrücken. »Ihr habt ihn schon
einmal geheilt. Tut es wieder und Ihr werdet reich belohnt.«
Sowohl Sapphira als auch die Heilerin sanken in eine tiefe
Verbeugung. »Diese junge Frau besitzt mein volles Vertrauen«,
erklärte die Tabibe. »Sie
weiß alles, was ich auch weiß.« An den Sultan
gerichtet fragte sie: » Padischah, spürt Ihr eine
Beklemmung in der Brust?« Bayezid stöhnte bejahend. »Das
Atmen fällt Euch schwer?« Ein weiteres Stöhnen
bestätigte auch diese Vermutung und die Tabibe wisperte dicht an Sapphiras Ohr. »Er hat sich einen Wirbel
verrenkt.« Erleichterung durchströmte die junge Frau, da
dieses Leiden sich leicht beheben ließ. »Könnt Ihr
euch aus eigener Kraft auf den Bauch drehen?«, fragte sie
demütig. Da der Sultan den Kopf schüttelte, gab sie seinen
Leibpagen ein Zeichen. »Befreit ihn von seinen Obergewändern
und helft ihm, sich umzudrehen«, bat sie. Kaum lag Bayezid –
alle Viere von sich
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