Die Heilerin des Sultans
Laub
raschelte. Wenig später schälte sich eine Gestalt aus den
Schatten, und noch bevor Falk sie erkannte, wusste er, dass es sich
um Sapphira handelte. »Du musst wieder gehen«, wisperte
sie, kaum war sie auf zwei Schritte an ihn herangekommen. »Bitte,
geh wieder.« So viel Dringlichkeit lag in ihrer Stimme, dass
Falk fürchtete, sie könnten entdeckt worden sein. Als sie
jedoch weiterhin allein blieben, schüttelte er den Kopf und trat
auf sie zu. »Ich kann nicht«, flüsterte er und griff
nach ihren Schultern, die unter seiner Berührung zuckten. »Du
musst«, hauchte sie und versuchte, vor ihm zurückzuweichen.
Aber ein leichter Druck seiner Hände genügte, um sie an Ort
und Stelle festzuhalten. »Sapphira«, hub er an und beugte
sich zu ihr hinab, um ihr in die feucht glänzenden Augen zu
sehen. »Ich liebe dich.« Die Worte fielen ihm leicht –
viel leichter, als er gedacht hatte. Er löste die Rechte von
ihrer Schulter und griff nach dem Schleier vor ihrem Gesicht, um ihn
zu entfernen. Regungslos ließ sie ihn gewähren. Als er im
blassen Licht des Mondes endlich das Gesicht sah, das er sich die
ganze Zeit über nur ausgemalt hatte, machte ihre Schönheit
ihn sprachlos. Einige Lidschläge lang starrte er sie einfach nur
an, versank in Augen, die so tief waren, dass er den Eindruck hatte,
bis auf den Grund ihrer Seele blicken zu können. Dann öffnete
sie den Mund, und er gab der Versuchung nach, sie zu küssen.
»Ich habe dich vom ersten Moment an geliebt«, murmelte er
und unterdrückte ein Keuchen, als seine Lippen die ihren fanden.
Unendlich weich und zart erwiderte sie den Kuss, und es war, als
hätte nie ein Zweifel daran bestanden, dass sie
zusammengehörten. Der Duft ihres Haares und ihrer Haut stieg ihm
in die Nase und berauschte ihn, als er den Kuss vertiefte und sie
näher an sich zog. Wie zerbrechlich sie war!, schoss es ihm
durch den Kopf, als er die Arme um sie schlang, um jeden Zoll ihres
Körpers zu spüren. Eine lange Zeit hielt er sie einfach nur
fest, lauschte auf ihren Herzschlag und sog ihre Wärme in sich
auf. Schließlich grub er die Nase in ihr Haar und flüsterte:
»Ich werde fliehen. Komm mit mir.«
Sie
erschrak und machte sich von ihm los. Ihr Gesicht wirkte bleich im
kalten Mondlicht, und ihre Augen weiteten sich furchtsam. »Das
ist unmöglich«, hauchte sie. »Man wird uns fangen
und hinrichten, genau wie Gülbahar.« Ihre Stimme bebte und
eine Träne rann ihre Wange hinab. »Gülbahar?«,
fragte Falk verwirrt, aber Sapphira schwieg. Er zog sie ein weiteres
Mal an sich und küsste ihre Stirn, ihre Schläfen und ihre
Lippen. »Vertrau mir«, sagte er leise. »Ich werde
einen Weg finden. Niemand wird dir jemals ein Leid antun.« Er
schloss sie abermals besitzergreifend in die Arme, und genoss das
Gefühl, das ihn durchströmte, als sie sich an ihn
schmiegte. »Ich liebe dich auch«, murmelte sie in seine
Brust. »Ich dachte, ich könnte dagegen ankämpfen,
aber es ist stärker als ich.« Sie hob den Kopf und sah ihn
erneut mit Tränen in den Augen an. »Aber eine Flucht ist
unmöglich.« Falk küsste eine Träne von ihrer
Wange. »Ich reite jeden Tag alleine aus«, sagte er. »Ohne
Aufpasser.« Sapphira verzog gequält das Gesicht. »Auch
ich habe die Möglichkeit, den Palast von Zeit zu Zeit zu
verlassen, um in der Stadt Kräuter zu besorgen«, erwiderte
sie mutlos, »aber wir würden niemals weiter kommen als bis
zur Stadtgrenze. Vor Bayezid kann man nicht fliehen.« Falk
schüttelte eigensinnig den Kopf. »Ich werde einen Weg
finden«, wiederholte er energisch, senkte jedoch sofort wieder
die Stimme. »Sobald ich einen Kapitän überreden kann,
uns an Bord zu nehmen…«, flüsterte er, verstummte
jedoch, als das Geräusch einer zuschlagenden Tür durch die
Nacht hallte. »Geh!«, wisperte Sapphira aufgeregt, aber
Falk hielt sie fest, als sie davonhuschen wollte. »Wann kann
ich dich wiedersehen?«, fragte er heiser. Nach kurzem
Nachdenken versetzte Sapphira mit einem Zittern in der Stimme: »Ich
werde jeden Freitag hier auf dich warten.« Sie legte warnend
den Finger an die Lippen, als über ihren Köpfen ein Husten
erklang. Irgendwo in dem angrenzenden Gebäude unterhielten sich
zwei Männer, deren Stimmen sich allerdings nach wenigen Minuten
entfernten. Schweigend blickten sie sich ein letztes Mal in die
Augen, bevor Falk sich schweren Herzens von ihr löste und ihr
den Rücken zuwandte. Als er die verborgene Tür hinter sich
ins Schloss zog, hob er selig die
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