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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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gewachsen, und die Breite seiner Schultern verriet, dass
er zu einem imposanten Krieger heranwachsen würde. »Erhabener
Vater«, begrüßte ihn der Prinz und warf sich vor ihm
zu Boden. »Steh auf, mein Sohn.« Bayezid trat näher
und musterte das glatte Gesicht mit den intelligenten Augen, in denen
bereits eine gewisse Härte lag. »Ich sehe, du hast meinem
Befehl Folge geleistet«, stellte der Sultan mit einem Blick auf
einen verheilten Schnitt auf der Wange seines Sohnes fest. »Ja,
Vater«, erwiderte Mehmet. »Der Fechtmeister hat mich in
alle Geheimnisse des Zweikampfes eingeweiht.« Ein seltsamer
Unterton lag in der Stimme des Knaben, als dieser fortfuhr: »Ich
wäre Euch bestimmt von Nutzen gewesen, wenn Ihr mich auch dieses
Mal mitgenommen hättet.« Bayezid zog die Brauen zusammen,
als unvermittelt Zorn in ihm aufstieg. Der Bengel war beleidigt, dass
er ihn zuhause gelassen hatte! Wenngleich er diese Unverschämtheit
eigentlich bestrafen musste, schluckte er seinen Ärger und
beschied unwirsch: »Ein Soldat befolgt Befehle. Diese Lektion
solltest du schleunigst lernen. Sonst wirst du niemals zum Anführer
taugen.« Mehmet senkte gescholten den Blick und murmelte:
»Verzeiht mir, Padischah. Der Wunsch, an Eurer Seite zu
kämpfen war einfach zu groß.« Der Sultan ging nicht
auf die Schmeichelei ein und knurrte stattdessen: »Ist der
Hengst zugeritten?« »Ja, Vater«, versetzte der
Junge, und trotz des zerknirschten Tons wollte sich Bayezids Unwillen
nicht legen. Wortlos winkte er einen Pagen zu sich und trug ihm auf, Hippokras aus
der Küche herbeizuschaffen. Dieser leichte, mit Honig, Zimt,
Muskat und Nelken gewürzte Weißwein würde nicht nur
sein Gemüt besänftigen; er würde auch seinen Gaumen
auf die Freuden des bevorstehenden Festmahls vorbereiten – das
er sich keinesfalls von den Launen eines Halbwüchsigen vergällen
lassen würde. Als der Bursche sich entfernt hatte, wandte er
sich zurück an seinen Sohn und sagte barsch: »Lerne Demut
und Gehorsam.« Mit diesen Worten bedeutete er dem Prinzen zu
verschwinden und ließ sich von zwei Dienern aus Stiefeln und
dem mit Platten verstärkten Waffenrock helfen, der mehr zu
wiegen schien als ein Sack Steine.
        Nachdem
der Page mit dem Wein zurückgekehrt war, nahm er einen tiefen
Schluck und fragte sich, warum er so hart zu seinem Sohn gewesen war.
War es, weil seine Erscheinung das Gegenteil von dem ausgelöst
hatte, was Bayezid gehofft hatte? Anstatt seine Zuversicht zu
stärken, hatte Mehmets Anblick ihn daran erinnert, was aus dem
Kind hätte werden können, das er mit eigener Hand getötet
hatte. Er stöhnte und leerte den Kelch, um sich hastig
nachzuschenken. Es war ein Fehler gewesen, wieder nach Bursa zu
kommen. Wie vor seinem Aufbruch in den Balkan, spürte er auch
jetzt bereits wieder Beklemmung in sich aufsteigen. Warum hatte
Olivera ihn nur so weit bringen müssen?, fragte er sich. Warum
hatte sie nicht einfach damit zufrieden sein können, ihn zu
beherrschen, wie es keine Frau vor ihr getan hatte. Er verzog den
Mund und wischte sich mit dem Ärmel den Wein von den Lippen. Und
es keine Frau jemals wieder tun würde, gestand er sich bitter
ein. Denn wenngleich seine neue Gespielin willig, manchmal gar
bestrickend war, konnte sie Olivera nicht das Wasser reichen. Er
ertappte sich dabei, wie er an die feurigen Nächte mit seiner
Gemahlin zurückdachte, und nahm einen weiteren tiefen Zug.
Allmählich tat der Alkohol seine Wirkung und nahm seinen
Gedanken die Schärfe. Männer in der Schlacht zu töten,
war etwas so vollkommen anderes, als ein ungeborenes Leben zu
vernichten! Ein unterdrücktes Hüsteln ließ ihn
aufblicken. Einer der Wesire erschien auf der Schwelle seines
Gemaches und sank in eine tiefe Verbeugung. »Ein Bote von Timur
Lenk, Padischah .«

Kapitel 74
     
    Ulm,
Sommer 1401
     
    »Herr,
sei mir gnädig«, ächzte Lutz Metzler und erbrach sich
in den Nachttopf neben seinem Bett. Schwall um Schwall schoss aus ihm
hervor, bis er schließlich erschöpft zurück in die
Kissen sank, und nur der bittere Geschmack von Galle in seinem Mund
zurückblieb. Mit tränenden Augen versuchte er, sich auf die
Seite zu rollen, aber jede Bewegung verursachte unsägliche
Schmerzen. Es war als lodere ein Feuer in seinen Eingeweiden. Seit
einigen Wochen litt er an einer seltsamen Unverträglichkeit, die
an manchen Tagen dazu führte, dass er außer Weißbrot
nichts bei sich behalten konnte. Aber so furchtbar wie heute waren
die Schmerzen noch

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