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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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vergaß er einen Moment lang die
Dringlichkeit der Lage. Bevor der Taumel der Glückseligkeit ihn
allerdings vollkommen fortreißen konnte, zwang er sich dazu,
sich von ihr zu lösen und drängte: »Wir haben keine
Zeit. Timurs Tataren werden bald hier sein. Du kannst nur das
Allernötigste mitnehmen.« Als sie zögerte und den
Kopf wandte, folgte er ihrem Blick zu einer hageren Frau mit grau
meliertem Haar und trüben Augen. »Die Tabibe… «,
hub sie an, aber die blinde Ärztin kam ihr zuvor. »Geh,
Kind. Mir wird nichts geschehen.«
        Mit
Tränen in den Augen schlang Sapphira nach einigen schweren
Atemzügen schließlich die Arme um sie. »Ihr werdet
mir fehlen«, wisperte sie. »Gott sei mit dir«,
erwiderte die Heilerin und berührte das Gesicht ihrer Schülerin
mit den Fingerspitzen. »Aber jetzt geh.« Benommen vor
Glück und Furcht zugleich, folgte Falk Sapphira in den kleinen
Anbau, in dem sich ihre Kammer befand, und half ihr, einige
Kleidungsstücke in einen ledernen Reisesack zu stopfen. »Das
werden wir brauchen«, sagte sie und griff nach einer prall
gefüllten Geldkatze. Falk starrte verwundert auf den Schatz. »Es
lohnt sich, dem Sultan das Leben zu retten«, versetzte sie
trocken und warf der bescheidenen Behausung einen letzten Blick zu.
»Komm«, sagte Falk, aber bevor sie durch die Tür ins
Freie traten, zog er sie noch einmal an sich, küsste ihre Stirn,
ihre Nase und ihre betörend weichen Lippen. »Hab keine
Angst«, murmelte er, »ich werde dich mit meinem Leben
beschützen.« Am liebsten hätte er sie für den
Rest seiner Tage so in seinen Armen gehalten, doch die Zeit drängte.
Wenn sie sich in Sicherheit bringen wollten, mussten sie sofort
aufbrechen. Daher griff er nach ihrer Hand und zog sie in den Hof
hinaus. »Kannst du reiten?«, fragte er. Als sie den Kopf
schüttelte, zuckte er die Achseln. »Dann sitzt du eben vor
mir.« Halb stolpernd, halb rennend überquerten sie den
Hof, stahlen einen Proviantbeutel von einem der Wagen und wichen den
planlos hin und her wieselnden Bediensteten aus. Bei den Pferden
angekommen, hob Falk Sapphira in den Sattel, lud das Gepäck auf
den Rücken der Stute und koppelte die drei Ersatztiere zusammen.
Dann zog er sich hinter Sapphira auf den Rücken des Hengstes,
wickelte den Führstrick ums Handgelenk und gab dem Vollblut die
Sporen.
        Er
spürte, wie Sapphira sich verkrampfte, als er den Hengst zum
Galopp antrieb. Deshalb schlang er den Arm noch fester um sie und
saugte mit allen Sinnen das Gefühl ihrer Nähe in sich auf.
Nach einiger Zeit fiel die Verspannung von ihr ab und sie passte sich
dem Rhythmus des Vollbluts an, sodass es sich beinahe anfühlte,
als wären ihre Körper miteinander verschmolzen. Sobald sie
die Stadt hinter sich gelassen hatten, stellte Falk erleichtert fest,
dass von den Tataren weit und breit noch keine Spur zu entdecken war,
und nach einigen Meilen gestreckten Galopps zügelte er den
Hengst zu einer langsameren Gangart. »Ich hatte furchtbare
Angst um dich«, gestand Sapphira und wandte den Kopf, um ihm in
die Augen zu sehen. »Ich habe gespürt, dass du in Gefahr
bist.« Falk lächelte und drückte das Kinn in ihr
Haar. »Ich habe dich so vermisst«, gestand er und
räusperte sich, um seine Stimme davon abzuhalten zu kippen. Wie
auf Wolken trabten sie eine Zeit lang schweigend nach Norden, wo der
Strom der Flüchtlinge allmählich dichter wurde. Sipahi, ungepanzerte Reiter und
zahllose Vasallen des Sultans strömten zur Küste, um sich
auf den dort bereitstehenden Schiffen und Kähnen auf die andere
Seite übersetzen zu lassen. Obwohl Falk irgendwann der Arm steif
wurde, wagte er nicht, den Griff um Sapphira zu lockern – aus
Angst, sie könne sich in Luft auflösen und verschwinden wie
in den Träumen, die ihn immer wieder gequält hatten. Nach
fast fünf Stunden erreichten sie den Bosporus und ließen
sich von einem Genueser Kapitän an Bord seines Schiffes nehmen.
Offenbar hatte die Nachricht von der Niederlage des Sultans
Konstantinopel bereits erreicht, da weit und breit keine Belagerer
mehr zu sehen waren. Für einen horrenden Preis versprach der
Italiener, sie überzusetzen, und als sie kurz darauf wieder
festen Boden unter den Füßen hatten, sah Sapphira sich
ratlos um. »Was sollen wir jetzt tun?«, fragte sie
verzagt, nachdem Falk ihr erneut in den Sattel geholfen hatte. »Wohin
sollen wir gehen?«

    *******

    Ein
schüchternes Lächeln huschte über Falks Gesicht, als
er ihr ohne zu zögern

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