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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Aufnahmeregeln zu streng. Und als Nichtadeliger wurde er von den
zum Großteil hochgeborenen Pferdekäufern mit einer
Geringschätzung behandelt, die ihm beinahe körperliche Pein
bereitete. Er gehörte nirgends richtig dazu, sondern saß,
ganz gleich wo, immer zwischen den Stühlen. Mürrisch
verscheuchte er einen Schmetterling, der um seinen Kopf tanzte.
        Und
dann trat ein Mensch in sein Leben, mit dem sich eine nie
wiederkehrende Gelegenheit bot, allen ein für alle Mal zu
zeigen, dass er nicht nur ein Emporkömmling oder falscher Gulden
war. Er biss die Zähne aufeinander, da der Schmerz in seiner
Brust ihn zu überwältigen drohte. Mit einem tiefen Ausatmen
presste er die Lider aufeinander und wartete, bis sich der Aufruhr in
seinem Inneren ein wenig beruhigte. »Herr, zeige mir deine Wege
und lehre mich deine Steige!«, flüsterte er und schlug mit
müden Bewegungen ein Kreuz vor der Brust, bevor er sich nach
einigen weiteren Augenblicken des Brütens widerwillig erhob. Er
musste auf Gott vertrauen, ermahnte er sich. Gott würde ihn
leiten. Wenn er mit kostbaren Araberhengsten von der Reise
zurückkehrte, würde er nicht nur so viel Profit machen,
dass er seinen Eltern eine Kapelle stiften konnte; er würde sich
zudem aussuchen können, wem er die seltenen, von allen begehrten
Tiere verkaufte! Und dann würde es niemand mehr wagen, ihm mit
Herablassung zu begegnen. Mit mahlenden Kiefermuskeln klopfte er den
Schmutz aus seiner Hose und machte sich in Gedanken versunken auf den
Weg zurück zu seinem Haus – vorbei an Galgenkränen,
Ziegelstapeln und emsig arbeitenden Steinhauern. Erst jetzt bemerkte
er den Lärm, der auf der Baustelle herrschte, beinahe als trete
er aus einer anderen Welt in die ihn umgebende Wirklichkeit ein. Tief
fliegende Schwalben kommentierten den Trubel mit schrillem Kreischen,
das beinahe in dem Geschrei eines Knäuels Zimmerleute unterging.
Irgendwo drosch jemand so heftig auf einen Stein ein, dass dieser mit
einem hässlichen Geräusch zerbarst. Seufzend überquerte
der junge Mann den staubigen Platz und tröstete sich mit dem
Gedanken daran, dass er schon bald zu einer Reise aufbrechen würde,
um die ihn selbst die welterfahrenen Handwerker beneiden würden.
Denn, ganz gleich, was Lutz ihm riet, er würde das Wagnis
eingehen.

Kapitel 7
     
    Verborgen
im Schatten eines protzigen Patrizierkontors beobachtete Otto von
Katzenstein, wie sein Neffe zurück nach Hause trottete. Obgleich
seine Laune nach einem Besuch bei seinem Bancherius beinahe
auf dem Gefrierpunkt angelangt war, ließen ihn die deutlich im
Gesicht des Knaben lesbaren Gefühle hoffen, die Schlappe schon
bald in einen Sieg verkehren zu können. Ein saurer Geschmack
stieg in ihm auf, als er an das unverschämte Lachen des
Italieners zurückdachte, als dieser ihm in gebrochenem Deutsch
zu verstehen gegeben hatte, dass er auf keinen weiteren Kredit bei
ihm hoffen konnte. »Was denkest du, was meine Zio, meine
Onkel, mir erzählen, wenn ich dir noch mehr Geld leihe?«,
hatte der schmierige Florentiner mit einem provozierend strahlenden
Lächeln gefragt. »Ich haben vier Cugini, wie sagt
man, vier Vetter. Eine in London, eine in Brügge, eine in
Valencia und eine in Firenze. Ich hier in die kalte Norden.« Er
hatte übertrieben fröstelnd die Handflächen
aneinandergerieben. »Wenn ich leihe dir noch mehr Geld, dann
schicke meine Zio mich nach England. Und seine Figlio, seine eigene Sohn, in die Süden.« Ein Ausdruck der
Abscheu war über sein vollwangiges Gesicht gehuscht. »Aber io «, hatte er heftig fuchtelnd verkündet, »ich
wollen zurück nach Firenze, wo meine Famiglia sein.«
Otto rümpfte verächtlich die Nase. Was interessierten ihn
die Familienbeziehungen dieses Halsabschneiders?! Hatte er bis jetzt
nicht all seine Schulden fristgerecht zurückgezahlt? Und hatte
er dem Blutsauger nicht einen beträchtlichen Teil seines Landes
als Sicherheit für die läppischen fünfundsiebzig
Gulden überschrieben, die noch ausstanden? Er trat nach einer
streunenden Katze, deren räudiges Fell in Büscheln ausfiel.
Es hatte keinen Sinn, sich über den Kerl aufzuregen. Zugegeben,
der Italiener hatte ihm mit seiner Weigerung einen wichtigen
Schachzug verbaut; doch würde sich das Misstrauen des lästigen
Verwalters Lutz sicherlich auch anders zerschlagen lassen als durch
den Wechselbrief, den er gehofft hatte zu erhalten. Er fuhr mit der
Hand in die Tasche, um nach den letzten Münzen zu tasten, die
ihm nach dem Pferdemarkt

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