Die Heilerin des Sultans
noch geblieben waren. Diese würden
genügen müssen, um den Anschein zu erwecken, dass es nicht
von der Zustimmung seines Neffen abhing, ob er die Reise ins
Morgenland antreten würde oder nicht. Vierzehn Gulden, dachte er
grimmig. Das entsprach beinahe genau dem Kaufpreis von zehn
mittelmäßigen Pferden.
Er
zog die Wangen zwischen die Zähne und nagte daran, bis ihn der
metallische Geschmack des eigenen Blutes innehalten ließ. Er
musste das Eisen schmieden, solange es heiß war!, ermahnte er
sich, reihte sich hinter einem Pulk schnatternder Mägde ein und
folgte seinem Neffen zu dessen Haus. Wenn er den Burschen richtig
gelesen hatte, dann würde der Köder, den er zusätzlich
zu den Vollblütern ersonnen hatte, endgültig den Ausschlag
geben. Und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er ihn
schlachten und ausnehmen konnte wie eine Weihnachtsgans! Unauffällig,
Falks Blickfeld vermeidend, schlug er einen Bogen und näherte
sich dem Knaben von rechts. »Ah, das trifft sich gut«,
rief er mit gespielter Überraschung aus und streckte seinem
Neffen beide Hände entgegen, um die des Knaben voller
geheuchelter Herzlichkeit zu ergreifen. Er betätigte die Arme
des Jüngeren wie Pumpenschwengel, bis dieser sich mit einem
geschmeichelten Lächeln von ihm befreite. »Es tut mir
leid, wenn ich Euch mit meinem Vorschlag überrumpelt habe«,
entschuldigte Otto sich scheinbar zerknirscht und genoss die
Empfindungen, die sich in den Augen des jungen Mannes jagten. Als
Falk nervös von einem Fuß auf den anderen trat, stahl sich
ein Lächeln auf sein Gesicht. »Das habt Ihr nicht«,
wehrte sein Neffe nach einigen Momenten ab und rieb den Spann seines
Stiefels an der Wade. Deutlich zeichneten sich Aufregung und
Unsicherheit auf seinen Zügen ab. »Wann können wir
aufbrechen?«, platzte er schließlich heiser heraus, und
zufrieden beobachtete Otto wie sich seine Wangen mit dem Feuer des
Eifers überzogen. Sorgfältig auf die Wirkung bedacht, die
er damit erzielen würde, zauberte er tiefe Falten auf seine
Stirn und setzte eine vernünftige Miene auf. »Seid Ihr
sicher, dass Ihr diese beschwerliche Reise tatsächlich auf Euch
nehmen wollt?«, erkundigte er sich mit genau der richtigen
Mischung aus Sorge und unterdrücktem Tatendrang, während er
dem jungen Mann den Arm um die Schultern legte. Mit etwas, das man
für väterliche Wärme hätte halten können,
suchte er den Blick seines Neffen und dirigierte ihn in den Hof des
Anwesens. Dort würden sie hoffentlich sicher sein vor den
neugierigen Augen und Ohren des Verwalters, dachte er, während
sich der nächste Satz in seinem Kopf formte. »Euer Freund
Lutz hat Recht«, räumte er mit einem weiteren Stirnrunzeln
ein, nachdem er sich mit einem schnellen Blick versichert hatte, dass
niemand sie belauschen konnte. »Es ist ein enormes Risiko. Die
Straßen sind alles andere als sicher. Es könnte uns
unterwegs allerhand zustoßen.« »Ach, das sagt Ihr
doch nur, um mir die Sache auszureden!«, brauste Falk –
wie gehofft – auf und befreite sich vom Arm seines Onkels, um
ihn aufgebracht anzustarren. »Vermutlich denkt Ihr, dass ich zu
jung und unerfahren bin!« Er blitzte Otto zornig an. »Warum
habt Ihr es dann vorgeschlagen?«
Offenbar
erschrocken über die Heftigkeit seiner Reaktion wiegelte Otto
umgehend ab: »Aber nein, es hat nichts mit Euch zu tun!«
Er senkte mit einem Seufzen den Kopf – darauf aus, den Anschein
eines Mannes in einer peinlichen Notlage zu vermitteln. »Es ist
nur so …« Er verstummte und rieb sich das Kinn. »Es
ist wie?«, hakte Falk nach, und die Besorgnis in seiner Stimme
ließ Otto innerlich triumphieren. »Nun«, hub er an
und nagte einige Male an seiner Unterlippe, »ich werde wohl
noch einmal bei meinem Bancherius vorsprechen müssen. Es scheint als reichten die Sicherheiten
nicht aus, um den Betrag flüssig zu machen, den ich benötige«,
log er glatt. Wie es ihm gelang, ein Zittern in seine Stimme zu
legen, wusste er selber nicht. Doch der Erfolg machte ihn stolz. »Ihr
braucht keine Bank«, stieß Falk empört hervor und
stemmte die Hände in die Hüften. »Ich sagte doch
bereits, dass ich Euch das Geld auslegen kann!« Seine
bernsteinfarbenen Augen sprühten Funken. Otto jedoch schüttelte
abwehrend den Kopf und klimperte unauffällig mit den Münzen
in seiner Tasche. »Das könnte ich niemals annehmen«,
versetzte er lahm. »Aber ich bestehe darauf!« Falks
Tonfall verriet deutlich, dass er die Weigerung seines
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