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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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kalte Bleiglas. Denn
allmählich befürchtete er, dass Otto von Katzenstein mehr
im Schilde führte als seinen Neffen zu übervorteilen. Was
würde dein Vater dazu sagen?, dachte er bekümmert, während
die Züge des verstorbenen Freundes vor seinem inneren Auge
auftauchten, beinahe als wollten sie ihn an seine Pflicht gemahnen.
Er seufzte schwer, als er an die Nacht des verheerenden Brandes
zurückdachte. Die Nacht, in der er den Knaben davon hatte
abhalten müssen, Hals über Kopf in das in Flammen stehende
Haus zu stürzen, um seine Eltern zu retten. Seine Eltern, die
bereits unter dem Schutt und der Asche des verkohlten Dachstuhles
begraben waren. Er schloss die Augen, um die Bilder zu vertreiben.
Doch anstatt zu verblassen, nahmen sie an Lebendigkeit zu, sodass er
nach wenigen Augenblicken aufgab und den Blick zurück auf das
ungleiche Paar im Hof richtete. Wie froh er damals gewesen war, das
zwar bleiche aber unversehrte Gesicht des Jungen zu sehen, der –
wie die anderen Lehrlinge – in einer Kammer über der Küche
geschlafen hatte. Denn in dieser Angelegenheit hatte sein Vater sich
nicht erweichen lassen. »Als Lehrling bist du nicht besser oder
schlechter als die anderen Lehrknechte«, hatte er seinem Sohn
ins Gewissen geredet. »Oder willst du von Anfang an verlacht
und verspottet werden, weil dein Vater und dein Großvater dich
mit Samthandschuhen anfassen?« Ein wohlbekanntes, oft
unterdrücktes Gefühl machte ihm die Brust eng, als er an
den Protest der Mutter des Knaben zurückdachte. Brigitta! Mit
einem Mal verschwammen die Beobachteten vor seinen Augen. Als habe
ihn eine unsichtbare Macht all die Jahre zurückversetzt, sah er
die schöne Gemahlin seines Freundes vor sich – genauso wie
sie ihm bei ihrer ersten Begegnung das Herz gestohlen hatte; und
genau wie damals, raubte die Erinnerung ihm auch jetzt noch den Atem.
Mit verzerrtem Gesicht rieb er sich die Brust – beinahe als
könne er den Schmerz in seinem Herzen dadurch wegmassieren.
»Brigitta«, murmelte er, während er sich fragte, was
wohl geschehen wäre, wenn sie ihn erwählt hätte
anstatt Wulf von Katzenstein.
        Ein
Seufzer fand den Weg über seine Lippen, als er sich ihrer
warmen, braunen Augen und der ungebändigten, blonden Locken
entsann, die ihr stets Verdruss bereitet hatten. Ob sie gewusst
hatte, was er für sie empfand? Oder ob sie ihm in ihrer Unschuld
die Lüge geglaubt hatte, dass er einfach nie die Richtige
gefunden hatte? Er umschloss seine Faust mit der Linken und rieb mit
den Knöcheln über die jahrzehntealten Schwielen der
Handfläche. Wie oft er sich einen Narren gescholten hatte! Und
wie oft er sich geschworen hatte, das Haus des Freundes zu verlassen,
um endlich ihren Bann zu brechen und eine eigene Familie zu gründen!
Doch immer und immer wieder hatte er eine Ausflucht gefunden, hatte
sich vorgegaukelt, dass es sich nicht lohnte ein eigenes Haus
anzumieten oder in eine Herberge zu ziehen. Sein freudloses Lachen
verklang gespenstisch in dem leeren Raum. Bis es zu spät gewesen
war, und er tränenlos in ihr Grab gestarrt hatte – die
Hand auf der Schulter ihres unmündigen Sohnes. Er zwang sich, in
die Gegenwart zurückzukehren. Mit beinahe kämpferischer
Entschlossenheit schwor er sich, die Fehler der Vergangenheit nicht
zu wiederholen. Er würde nicht ein zweites Mal der untätige
Beobachter bleiben! Hätte er damals den Mut gefasst, den Schritt
in ein eigenes Leben zu wagen, dann wäre sicherlich vieles
anders gekommen. Doch da daran nichts mehr zu ändern war, würde
er wenigstens dafür sorgen, dass der Sohn seiner großen
Liebe nicht einen ähnlichen Irrweg einschlug und einem anderen
unüberlegt in sein Schicksal folgte. Er ließ von seinen
Schwielen ab und verschränkte die Hände hinter dem breiten
Rücken. Da selbst ein Blinder sehen konnte, wie sehr Otto den
Knaben inzwischen für sich eingenommen hatte, beschloss er,
Schritte in die Wege zu leiten, um den Jungen vor sich selbst zu
schützen.

Kapitel 8
     
    Bursa,
Frühjahr 1400
     
    »Meine
Güte, hast du Pech in den Adern?« Die schneidende Stimme
der in einen schreiend roten Kaftan gekleideten Aufseherin riss
Sapphira aus der stumpfen Benommenheit, in die sie verfallen war.
Kaum hatte der Sultan das Hamam verlassen, hatte die Badefrau
die Neuzugänge zurück in den Eingangsbereich des Gebäudes
gescheucht, wo sie kurze Zeit später von einer fülligen
Frau abgeholt worden waren. Außer der schwarzen Sklavin und
Sapphira selbst wartete dort

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