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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Mantel und die Standarte des Propheten?
        »Gott
habe Erbarmen mit demjenigen seiner demütigen Diener, der seine
Grenzen erkennt und der sie mit keinem Fuß überschreitet«,
äffte er den Inhalt des Schreibens nach, mit dem Timur ihm
unverhohlen gedroht hatte. Wenn er Timur den Gefangenen nicht
übergeben würde, dann würde Bayezid dem Übel die
Tore seines Reiches öffnen. Den Teufel würde er tun!
Während erneut flammender Zorn in ihm aufwallte, beschloss er,
Timur eine weitere Provokation vor die Füße zu schleudern.
Sollte er doch kommen und sich der Schlacht stellen. Dann würde
Bayezid Timur vernichten, seine Gebiete in das osmanische Reich
eingliedern und ein für alle Mal unbesiegbar werden. »Ich
esse dich zu Mittag, bevor du mich zum Abendessen verspeist«,
murmelte er, leerte den zweiten Kelch mit einem tiefen Zug und goss
sich erneut nach. Nachdenklich betrachtete er die glitzernde
Flüssigkeit, die ölig an der Innenseite des Glases
hinablief. Gleich am nächsten Tag würde er einen weiteren
Vasallen Timurs an seinen Hof beordern und ihm befehlen, seine
Schätze mit sich zu bringen. Dann konnte dieser lahme Geißbock
zeigen, was hinter seinen großmäuligen Drohungen steckte.
Ein zufriedenes Lachen stieg in ihm auf. Allmählich tat der
Alkohol seine Wirkung, und er verspürte eine wohlige Wärme.
»Morgen«, nuschelte er und lehnte sich so weit zurück,
dass er halb in den Kissen versank. »Morgen.« Der heutige
Tag gehörte der Liebe.

Kapitel 6
     
    Ulm,
Frühjahr 1400
     
    »Edirne?«
Am liebsten wäre Falk vom Tisch aufgesprungen. Doch da er sich
vor seinem Onkel nicht zum Narren machen wollte, überspielte er
seine Aufregung mit einem bedächtigen Kopfschütteln. »Im
Morgenland?« Otto nickte. »Ja«, erwiderte er
nüchtern, während er den kritischen Blick des ebenfalls
anwesenden Lutz geflissentlich ignorierte. »Eigentlich wollte
ich diese Reise schon im vergangenen Jahr unternehmen, aber Ihr wisst
ja, wie die letzten beiden Winter vielen von uns Züchtern
zugesetzt haben.« Wie vor den Kopf gestoßen tauchte Falk
den Löffel in die mit Safran gewürzte Eiersuppe und führte
ihn zum Mund, um Zeit zu gewinnen. Sollten seine geheimsten Wünsche
etwa so bald schon in Erfüllung gehen?, fragte er sich, während
er das feine Aroma auf der Zunge zergehen ließ. Die ganze Woche
über, die Otto bereits Gast in seinem Hause war, hatte er mit
sich gerungen, hatte all seine Zurückhaltung aufgebracht, um den
Verwandten nicht mit unbeholfenen Fragen zu löchern. Hatte
neidisch die Haltung und die Waffen des Älteren bewundert und
sich ausgemalt, wie es wohl sein musste, das Leben eines Ritters zu
führen – in der Welt herumzukommen und keine Scham wegen
der eigenen Herkunft zu empfinden. Er setzte die Schale an die
Lippen, um den Rest der Suppe auszutrinken, bevor er sein Messer in
das mit getrockneten Zwetschgen gebratene Huhn stach. Nachdenklich
schnitt er eine großzügige Scheibe des zarten Fleisches ab
und häufte sich zudem etwas Speck und gesottenen Aal mit Pfeffer
in die Zinnschüssel. »Aber wie sollen wir dorthin
gelangen?«, fragte er schließlich mit vollen Backen, da
er sich nicht einmal vorstellen konnte, wie sie das im Feindesland
gelegene Zentrum der Pferdezucht erreichen sollten. Wie jeder Händler
wusste auch Falk, dass die osmanische Hauptstadt nicht so ohne
Weiteres bereist werden konnte – nicht umsonst erzählten
diejenigen, denen es gelungen war, von unglaublichen Gefahren und
Wagnissen. Otto hob die Schultern und erwiderte, scheinbar ohne zu
überlegen: »Ich habe Kontakte in Venedig. Dort kann man
mit genügend Geld einen Geleitbrief und Schutz kaufen.«
        Nachdenklich
versenkte Falk ein Stückchen Hühnerbrust in der feinen
Mandelsoße, die seine Köchin zubereitet hatte und in der
winzige Stückchen Granatapfel schwammen. »Die Vollblüter
sollen von solcher Anmut und Grazie sein, dass selbst der König
von Ungarn auf einem Hengst aus den Ställen des Feindes in die
Schlacht von Nikopolis geritten ist«, spann Otto den Faden
weiter. »Mag sein«, warf Lutz ein, der den Ritter mit
misstrauisch zusammengekniffenen Augen musterte. »Aber solch
eine Reise ist nicht nur gefährlich, sie kann einen Mann auch im
Handumdrehen ruinieren.« Er nahm einen Schluck Ingwerbier. »Wie
wollt Ihr für all das bezahlen?« Falk sog empört die
Luft durch die Nase ein. »Lutz!«, stieß er warnend
hervor, da ihn der alte Verwalter in den vergangenen Tagen mehr als
einmal

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