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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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eine Handvoll weiterer junger Frauen,
deren Geplapper zu entnehmen war, dass sie aus dem zweiten Hof in den Harem befördert worden waren. »Nun mach schon«,
herrschte die Saray Ustasi – die oberste Aufseherin –
das Mädchen an, das mit tränenverschleiertem Blick und
gesenktem Kopf das Ende der kleinen Schlange bildete. Missfällig
tasteten die nachtschwarzen Augen der etwa vierzigjährigen Harems dame das dünne Gewand ab, das sich eng an Sapphiras
Körper schmiegte. »Als ob es nicht schon genug
Verschwendung gäbe«, murmelte sie und trieb ihre
Schutzbefohlenen durch einen Durchgang in den von einer hohen Mauer
umfangenen Hof. Vorbei an den Quartieren der schwarzen Eunuchen,
führte sie die Mädchen einen mit bunten Kieselsteinen
dekorierten Weg entlang, bis sich zu ihrer Linken die eindrucksvollen
Mauern der Moschee erhoben. Just in dem Moment, in dem sie in die
Schatten des gewaltigen Bauwerkes eintauchten, erhob über ihren
Köpfen der Imam die durchdringende Stimme: » Ašhadu
anna lā ilāha illā’Llāh Muhammad
rasūl Allāh – Ich bezeuge, dass es keine Gottheit
außer Gott gibt und dass Muhammad der Gesandte Gottes
ist.«
        Wenngleich
Sapphira diesen Ruf zum Salāt
– zum Pflichtgebet –
schon Tausende von Malen gehört hatte, zuckte sie zusammen und
richtete die Augen zu dem in den Himmel wachsenden Minarett. Fünfmal
am Tag ertönte diese Aufforderung in lang gedehnten Kadenzen
über den Dächern der Stadt. Doch aus solcher Nähe
hatte sie eine beinahe überwältigende Klangstärke. Da
nicht eine einzige der Frauen dem moslemischen Glauben angehörte
– verbot doch dieser die Versklavung eines Gläubigen –
eilte keine von ihnen zum nächsten Brunnen, um sich vor dem
Gebet der rituellen Waschung zu unterziehen. Ganz anders hingegen die
hohen Beamten und Offiziere des Harems. Von allen Seiten strömten
diese zur Moschee, um sich in deren Inneren Gesicht, Arme und Füße
zu reinigen, bevor sie sich vor Gott niederwarfen. Mit stumpfem Blick
verfolgte Sapphira wie der Strom der Männer allmählich
anschwoll, während die Saray
Ustasi ungeduldig in die
Hände klatschte. »Weiter!«, befahl die Hüterin
den Mädchen, die allesamt neugierig innegehalten hatten. »Auf,
auf!«, drängte die kräftig gebaute Frau. »Die Harems meisterinnen
warten auf euch.« Gerade als Sapphira dem Befehl Folge leisten
wollte, blitzte etwas durch das dichte Laub der Büsche, das
aussah wie die goldbestickte Borte eines Brokatgewandes. Während
ihr Herz einen unerwarteten Satz machte, verfolgte die junge Frau den
Besitzer des Kaftans. Doch als dieser kein Dutzend Schritte vor ihnen
auf eine Tür in der Mauer zusteuerte, senkte sich bleischwere
Enttäuschung über sie. Nicht der Sultan, sondern lediglich
der Großwesir mit seinem Gefolge verschwand durch den Torbogen
in den äußeren Teil des Hofes.
        Teilnahmslos
ließ sie sich von der Aufseherin weiterziehen, und als sie nach
kurzer Zeit bei einem Küchengebäude anlangten, war sie fest
davon überzeugt, dass man sie für den niedrigsten aller
Dienste eingeteilt hatte. Denn was war sie jetzt noch wert, da der
König der Könige, der allmächtige Bayezid Yilderim ,
sie zurückgewiesen hatte wie ein verdorbenes Stück Fleisch?
»Ihr beiden«, befahl die Saray
Ustasi zwei jungen Dingern,
deren kräftige Hände verrieten, dass sie harte Arbeit
gewöhnt waren. »Ihr gehört ab jetzt zur Oda der Meisterin der
Speisekammer.« Daraufhin hieb sie dreimal kräftig die
Knöchel gegen das verwitterte Holz der Küchentür, und
beinahe augenblicklich erschien eine Hilfskraft im Rahmen. Ohne
weitere Worte schob sie die beiden Dienerinnen über die Schwelle
und wandte sich zurück zu ihren übrigen Schützlingen.
»Ihr drei wartet hier bis euch jemand abholt.« Sie zeigte
auf ein dunkelhäutiges Kleeblatt, dessen Mitglieder demütig
die Köpfe senkten. »Eure Oda untersteht der Meisterin der
Wäscherei.« Damit richtete sie den Blick auf Sapphira und
die pechschwarze Sklavin, die ebenfalls von Bayezid verschmäht
worden war, und wies mit dem Kopf auf ein flaches Gebäude zu
ihrer Linken. Von mehreren kleinen Kuppeln überwölbt,
unterschied es sich kaum von der Madrasa – der Schule der Pagen, die direkt an es anschloss. »Und
ihr«, brummte die Aufseherin. »Ihr werdet im Darüssifa – im Hospital – dienen.« Bevor sie sich bemerkbar
machen konnte, tauchte eine kleine Frau auf und verneigte sich vor
der Saray Ustasi .
»Die Helferinnen, nach denen die Hekime

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