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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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bist.« Erneut tasteten ihre grünen Augen die
junge Frau forschend ab.
        Nach
einigen Sekunden wanderte der Blick der Ärztin schließlich
weiter in eine Ecke des Raumes. »Als erstes solltest du dich
umziehen«, stellte sie fest und nahm zwei Kleidungsstücke
von einem Haken an der Wand. »Deine Sachen sind zu schade, um
sie an die Kranken zu verschwenden.« Der ironische Unterton in
ihrer Stimme ließ Sapphira erneut erröten. Hastig und
verschämt schlüpfte sie aus dem durchsichtigen Überwurf
und fuhr mit den Füßen in den einfachen Shalvar – eine knöchellange
Hose – bevor sie sich die blaue Entari ,
die alle Helferinnen trugen, über den Kopf zog. Nachdem sie
dieses Gewand am Hals zugeknöpft hatte, tauschte sie den
Schleier auf ihrem Haar aus und legte die kostbaren Kleider
sorgfältig zusammen. Wer wusste schon, ob sie diese nicht
irgendwann noch einmal brauchen würde. Ihr Magen zog sich
krampfhaft zusammen, als erneut das Bild des mächtigen Sultans
vor ihrem inneren Auge auftauchte. Warum nur hatte er sich von ihr
abgewandt, bevor sie ihm beweisen konnte, wie unermesslich ihre
Ergebenheit war? Ein dumpfes Gefühl gesellte sich zu dem Knoten
in ihren Eingeweiden. Ob sie ihn jemals wieder zu Gesicht bekommen
würde? Die Stimme der Tabibe drang zu ihr vor, als käme
sie aus weiter Ferne: »Komm mit zurück in die Halle, ich
möchte, dass du eine unserer ältesten Patientinnen
kennenlernst.« Wie im Nebel folgte das Mädchen der
Aufforderung, angestrengt darauf bedacht, ihre Empfindungen zu
verheimlichen. Doch als sie nach kurzer Zeit an einem mit zahllosen
Kissen gepolsterten Diwan ankamen, fegte die überwältigende
Gegenwart des Todes ihre Sorgen davon, als wären sie nichts
weiter als gestaltlose Rauchgebilde. Noch bevor ihr Blick auf die
blinden Augen der uralten Frau fiel, wusste sie, dass diese bereits
mit einem Bein in der jenseitigen Welt stand.
        Umgeben
von kleinen Weihrauchfässchen, ruhte die Kranke zerbrechlich wie
ein Kind in einem Meer aus Seide. An ihrer Seite kniete ein etwa
zehnjähriges Mädchen mit einem grobzinkigen Kamm, das sich
schweigend erhob, um der Tabibe Platz zu machen. Lautlos wie
ein Geist huschte es zum nächsten Lager weiter, um der dort
schlafenden Kranken ebenfalls das wirre Haar zu ordnen. »Das
ist die Daye Khatun, die ehemalige Amme des Padischahs «,
erklärte die Heilerin flüsternd, während sie Sapphira
näher an das Lager zog. »Sie erholt sich von einem
schweren Fieber.« Mit einem Wink gab sie ihrer Begleiterin zu
verstehen, es ihr gleichzutun und sich auf einem Hocker neben dem
Diwan niederzulassen. »Nimm ihre Hand«, forderte sie das
Mädchen auf und beobachtete mit Adleraugen, wie Sapphira dem
Befehl Folge leistete und ein Keuchen unterdrückte. »Dachte
ich es mir doch«, murmelte sie und löste die Finger der
Alten aus dem Griff des Mädchens, das eine verkrampfte Haltung
angenommen hatte. »Du fühlst es, nicht wahr?« Es war
mehr eine Feststellung als eine Frage, und als Sapphira lediglich
trocken schluckte, fügte sie leise hinzu: »Es wäre
besser, wenn außer mir niemand etwas von dieser Gabe erfährt.«
Sie schob der jungen Frau die Rechte unter das Kinn und zwang sie,
ihr in die Augen zu sehen. »Eines solltest du wissen. Der Harem ist kein friedlicher Ort.«
Ihr Mund wurde schmal. »Jede einzelne der Frauen ist darauf
bedacht, die Gunst des Sultans für sich zu gewinnen. Der Weg zu
Macht und Einfluss führt einzig und allein über sein Bett.«
Sapphira erschrak über die Bitterkeit in der melodischen Stimme.
»Wer mehr Können oder Einfluss besitzt als die anderen,
wird mit allen Mitteln bekämpft. Manchmal hatten wir hier schon
Mädchen, die eindeutige Symptome einer Vergiftung aufgewiesen
haben.« Sie zog die Hand zurück und hob diese warnend.
»Sollte eine der Favoritinnen oder gar eine der Konkubinen des
Sultans von deiner Gabe erfahren, dann wirst du selbst hier nicht vor
ihren Nachstellungen sicher sein.« Furcht stahl sich in
Sapphiras Herz, als ihr klar wurde, wie ernst die Tabibe es meinte. Und obwohl die
Begeisterung für das Neue eine Zeit lang die Schwermut im Zaum
gehalten hatte, schlich sich diese bereits auf Umwegen wieder zurück
in ihr Herz.

Kapitel 9
     
    Enttäuscht
wie ein Kind, von dessen Spielzeug die Farbe abgeblättert war,
blickte Bayezid auf die teilnahmslos neben ihm liegende Sklavin,
deren einstmals funkelnde Augen einen schlammigen Ton angenommen
hatten. Mit der Rechten tastete er ein weiteres Mal

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