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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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verlangt hat«, erklärte
die Aufseherin knapp. Ohne auf eine Antwort zu warten, kehrte sie den
Mädchen den Rücken und eilte zurück zum Hamam.
        »Kommt«,
forderte die schmächtige Helferin die beiden jungen Frauen
überraschend freundlich auf und lud sie mit einer Geste ein, den
Vorraum des Hospitals zu betreten. Trotz der Schwere in ihrem Herzen
bemerkte Sapphira den angenehmen Geruch von glimmendem Sandelholz und
Amber, mit dem augenblicklich Erinnerungen an Yahya und den Hekim in ihr aufstiegen. Bevor
diese ihr Elend jedoch noch verstärken konnten, tauchte eine
schlanke Gestalt vom anderen Ende des Ganges her auf, deren
blütenweiße Tracht merkwürdig fehl am Platz wirkte.
Gefolgt wurde sie von einer weiteren Frau, und als die beiden die
Neuankömmlinge erreicht hatte, stellte die Helferin sie vor:
»Das ist die Hekime
Kadin , unsere weibliche
Ärztin.« Sowohl Sapphira als auch die dunkelhäutige
Sklavin verbeugten sich mit vor der Brust zusammengelegten Händen.
»Sie benötigt dringend eine neue Cariyesi. Ihre alte Assistentin wurde
letzte Woche mit einem der jungen Beamten vermählt.« Ihr
Blick wanderte weiter zu der zweiten Dame. »Und das ist die
Aufseherin über die Patienten.« Erneut beugten die beiden
Mädchen respektvoll die Köpfe. »Man hat mir gesagt,
dass eine von euch bereits Erfahrung im Umgang mit Kranken hat.«
Die Stimme der Hekime Kadin erinnerte an einen Singvogel.
Erstaunt hob Sapphira den Kopf und öffnete sprachlos den Mund,
da für den Bruchteil eines Augenblicks ein satter Grünton
aufflackerte, der mit der Farbe der ausdrucksstarken Augen der
Heilerin korrespondierte. Ein Schmunzeln stahl sich auf das strenge
Gesicht der Hekime, als
sie die Reaktion des Mädchens registrierte. Forschend musterte
sie Sapphira, deren Wangen sich leicht röteten. Als wollten sie
auf den Grund ihrer Seele blicken, wanderten die Augen der Ärztin
über die Züge des Mädchens, bis sie schließlich
zufrieden nickte. Sie fuhr sich einige Male mit einem langen Finger
über den geraden Nasenrücken, bevor sie zu ihrer
Begleiterin sagte: »Ich habe meine Wahl getroffen.« Damit
gab sie Sapphira zu verstehen, ihr zu folgen, und während das
Mädchen ihr auf unsicheren Beinen hinterherstakste, steckte sie
den leichten Schleier auf ihrem rabenschwarzen Haar zurück in
eine Schlaufe des beinahe armdicken Zopfes.
        Eingeschüchtert
von der bedrückenden Atmosphäre, registrierte Sapphira kaum
die leuchtenden, blau-weißen Lüsterfliesen an den Wänden
und die Szenen, welche diese darstellten. Aus dem Augenwinkel
bemerkte sie lediglich das verschlungene Arabeskenmuster, das auf
Schulterhöhe den Raum umsäumte. Vorbei an dicht
aneinandergereihten Lagern gelangten die beiden Frauen schweigend ans
Ende des Korridors, von wo aus jeweils eine Tür in jede
Himmelsrichtung führte. »Dieser Teil des Darüssifas beherbergt das Bad für
die Patienten«, erklärte die Hekime, bevor sie auf eine
dickbohlige Tür wies, deren kleines Fensterchen vergittert war.
»Das ist der Bereich, in dem die verwundeten Pagen und
Janitscharen behandelt werden«, fuhr sie fort. »Dort
haben wir Frauen eigentlich nur in Ausnahmefällen Zugang.
Normalerweise kümmert sich ein männlicher Arzt um sie.«
Sie schenkte Sapphira ein dünnes Lächeln. »Aber es
kommt oft vor, dass der Sultan seine Dienste in Anspruch nimmt, und
wir den Kranken ihr Leid erleichtern müssen.« Bei der
Erwähnung des Sultans kehrte Sapphiras Mutlosigkeit zurück,
und sie schlug hastig die Augen nieder, um ihre Gefühle vor der Hekime zu
verbergen. Diese verstummte einige Momente, bevor sie in neutralem
Ton hinzufügte: »Und hinter dieser Tür befindet sich
der wichtigste Teil des Hospitals.« Mit einer nahezu
feierlichen Geste zog sie an einem eisernen Ring und umgehend schlug
die Stimmung von todesschwer und trist in lebensdurstig und
erwartungsvoll um. Diese deutlich spürbare Veränderung und
das überwältigende Gemisch aus einer Vielzahl von Gerüchen
vertrieben Sapphiras trübsinnige Gedanken wie die Sonne den
Nebel. Während sich der Kummer als harter Klumpen in ihre
Magengegend zurückzog, wetteiferten ihre Sinne damit, die
unterschiedlichen Eindrücke zu verarbeiten. Schwer hing das
Aroma von Wachs, Honig und Moschus in der Luft, wo es sich mit dem
eigenartigen Duft neugeborenen Lebens vermischte. Das leise Weinen
eines Säuglings wurde übertönt von dem Stöhnen
einer Schwangeren, der Helferinnen den geschwollenen Leib mit Ölen
und Salben

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