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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ab.
»Hier befinden sich die Gemächer der Gemahlinnen und
Konkubinen unseres Herrn«, erklärte die Ältere. Sie
wandte sich nach links, wo eine breite Treppe ins Obergeschoss
führte. »Und das«, verkündete sie mit einem
Blick nach oben, »ist das Reich der Valide. «
        Voller
Bewunderung folgten Sapphiras Augen ihrer ausgestreckten Hand,
glitten über umrankte Fenster, vergoldete Rahmen und farbenfroh
eingefasste Schriftzeichen, welche Verse aus dem Koran darstellten.
Steinerne Simse und verspielte Türmchen lockerten die Fassade
auf, die in diesem Bereich durchbrochen und luftig wirkte. Auch hier
verrieten die zum Teil sichtbaren Netze, dass in den Innenhöfen
Vögel gehalten wurden, deren Gezwitscher die Bewohner beim
Lustwandeln erquicken sollte. »Ich muss euch warnen«,
sagte die Zofe mit plötzlichem Ernst. »Die Valide verzeiht keine Fehler. Wer
ihren Befehlen nicht gehorcht, wird aufs Härteste bestraft.«
Sapphira blinzelte unsicher. »Andererseits«, fuhr die
Frau fort, »stellt sie den einzigen Weg in die Freiheit dar.«
Die Verwirrung auf den Gesichtern der Mädchen veranlasste sie
fortzufahren. »In ihren Gemächern herrscht absolute
Schweigepflicht. Geredet wird nur, wenn man direkt dazu aufgefordert
wird.« Sie hob den Daumen in die Höhe. »Ihr bekommt
einen Sold von 10 Asper am Tag.« Der Zeigefinger gesellte sich
zum Daumen. »Eure Ausbildung beginnt mit Stick- und
Näharbeiten. Wenn ihr euch dabei nicht allzu ungeschickt
anstellt, wird euch je eine Lehrerin oder ein Eunuch im Tanzen,
Singen und in der Dichtkunst unterrichten.« Sie lächelte.
»Die Valide höchstpersönlich übernimmt die Unterweisung in den
Künsten der Liebe.« Ihr Lächeln verwandelte sich in
ein Grinsen. »Wenn ihr Glück habt, wählt sie euch für
das Lager des Padischahs aus.«
Sapphira spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. »Solltet
ihr ihren Ansprüchen nicht genügen, endet euer Weg entweder
in einem der Verwaltungsämter des Harems und ihr werdet zu einer Meisterin, oder ihr werdet mit einem Beamten
des Sultans vermählt – was eure Freilassung bedeutet.«
Damit ließ sie die Hand zurück an ihre Seite fallen, hob
die Schultern und wies mit dem Kinn auf die Treppe. »Vergesst
nicht, dass ab hier jedes Wort verboten ist.« Während der
Aufruhr in ihrem Inneren an Heftigkeit zunahm, folgte Sapphira der
Aufforderung und erklomm zittrig die flachen Stufen. Wohingegen die
Freiheit in der Vergangenheit oft etwas gewesen war, von dem sie
geträumt hatte, erschien ihr diese plötzlich als Strafe.
Zaghaft und dennoch voller Erwartung näherte sie sich dem
Treppenabsatz, der von zwei grimmig dreinschauenden Bewaffneten
bewacht wurde. Die Verzweiflung und das Selbstmitleid der vergangenen
Nacht schlugen in Kampfeswille und Ehrgeiz um, als sich die aus
reinem Elfenbein gearbeitete, mit funkelndem Gold überzogene Tür
zur Audienzkammer der Valide vor ihr öffnete. Diese
zweite Chance würde sie sich von niemandem zunichte machen
lassen! Ganz egal, welche Opfer ihr abverlangt würden, sie würde
die Gunst der Sultansmutter gewinnen!

Kapitel 11
     
    Ulm,
Frühjahr 1400
     
    »Ich
weiß, dass ich dich nicht davon abbringen kann, diese Reise zu
unternehmen«, sagte Lutz und legte Falk beschwichtigend die
Rechte auf die Schulter. »Aber selbst du musst zugeben, dass
diese Lösung die vernünftigste ist.« Trotz der
abweisend vor der Brust verschränkten Arme musste Falk seinem
Verwalter insgeheim recht geben – was er diesem aber nicht
unbedingt zeigen wollte. Mit einer steilen Falte zwischen den Brauen
befreite er sich vom Griff des Älteren, massierte sich die
Schläfen und gab vor, über den Vorschlag nachdenken zu
müssen. »Wenn Barbarigo dir einen Brief an seinen Schwager
Datini in Venedig mitgibt, in dem er bescheinigt, dass du das nötige
Guthaben besitzt, dann kann Datini dir im Gegenzug eine Garantie für
seine Filiale im Orient ausstellen.« Lutz breitete die Hände
aus, die Handflächen nach oben – wie um die
Unbestechlichkeit seiner Logik zu unterstreichen. »Dann kann
euch auf dem Weg keiner überfallen.« Falk verzog das
Gesicht bei der Vorstellung, von den überall lauernden
Wegelagerern erschlagen zu werden, nur damit diese danach feststellen
mussten, dass sie ihr Opfer umsonst getötet hatten. Als ob man
vorher gefragt wurde, ob man Bares mit sich führte!, dachte er
und zog die Nase hoch – eine Angewohnheit, die er sich immer
wieder abgewöhnen wollte. »Keine Angst vor

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