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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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hölzerne Unterschuhe – unter
seinen Ledersohlen befestigt hatte, legte er keinen Wert darauf, nach
Scheiße stinkend bei seinem Bancherius vorzusprechen. Stelzbeinig wie ein Storch hüpfte er von
Trittstein zu Trittstein und bereute schon bald die Entscheidung,
eine Abkürzung durch die engen Gässchen genommen zu haben.
Die oberen Etagen der zum Teil vierstöckigen, meist
strohgedeckten Häuser berührten sich beinahe, sodass das
Tageslicht lediglich durch einen kaum armbreiten Spalt fiel. Vorbei
an dampfendem Mist und Katzenkadavern bahnte Falk sich einen Weg
durch das verwirrende Labyrinth, das ihn – so hoffte er –
zur Rückseite des Rathauses führen würde. Balkonartige
Vorbauten, Erker und zahllose Außentreppen ließen die
Häuserreihen wie wuchernde Geschwüre erscheinen, und als am
Ende einer kaum zwei Schritt breiten Gasse ein Karren auftauchte,
stieß Falk einen Fluch aus. Da es keine andere Möglichkeit
gab auszuweichen, zog er sich an einem der Treppengeländer in
die Höhe und kauerte sich auf einen morsch wirkenden Absatz, der
Unheil verkündend unter ihm knarzte. Sobald der mit
Schlachtabfällen beladene Wagen vorbeigeholpert war, ließ
er sich mit einem erleichterten Aufatmen zurück auf den Boden
fallen und klopfte sich die Knie ab. Er wollte gerade seinen Weg
fortsetzen, als ein Knäuel räudiger Straßenköter
aus einem Durchgang geschossen kam, um sich auf ein Schweineohr zu
stürzen, das der Metzger offensichtlich verloren hatte. Einen
Augenblick lang fürchtete er, die Hunde könnten ihn
angreifen, doch als der erste – ein struppiger Mischling –
die gelben Zähne in den Leckerbissen schlug, verwandelte sich
die Meute in einen wütenden Ball.
        Der
Gestank, der seit Beginn der warmen Witterung über der Stadt
hing, verdichtete sich, als er sich dem Marktplatz näherte; und
wie jedes Mal, wenn er auf das hier gelegene Händler- und
Bankenviertel zusteuerte, fragte er sich, wie die reichen Patrizier
es aushielten, in solcher Nähe zu den Fischern zu wohnen.
Angewidert rümpfte er die Nase, als ihm der Geruch von altem
Fisch und brackigem Wasser in die Nase stach und sich mit dem
eigentlich angenehmen Aroma frischer Backwaren zu einer seltsamen
Note vermischte. Nur mühsam widerstand er dem Drang, den Atem
anzuhalten. Doch da sich nach wenigen Schritten ein Hauch von
orientalischen Gewürzen zu dem Geruchswirrwarr gesellte, ließ
er erleichtert die Luft durch die Nase entweichen. Allmählich
wurde das Labyrinth aus sich kreuzenden Häuserlinien
durchsichtiger, und als das Stroh auf den Dächern schließlich
– zum Teil bunten – Tonziegeln wich, wusste Falk, dass er
sich nicht verlaufen hatte. Da an diesem Mittwoch Markttag war, drang
auch bald das lautstarke Geschrei der Händler an sein Ohr, die
den kauflustigen Ulmern ihre aus allen Winkeln der Welt stammenden
Waren anboten. Nicht scharf darauf, sich durch das zweifelsohne
dichte Gedränge zu kämpfen, schlug er einen Haken um die
vor ihm auftauchenden Stände und murmelte »Gott sei
Dank!«, als er endlich das durch eine riesige, gelb bemalte
Holzmünze gekennzeichnete Kontor seines Bancherius vor sich auftauchen sah. Kopfschüttelnd ließ er eine Schar
vornehmer Damen passieren, die – aufgeputzt wie zur Kirchweih –
plaudernd und gestikulierend in Richtung Tuchmarkt strömten. Wie
immer würdigten ihn weder die Frauen noch ihre Dienstmägde
eines Blickes, aber er rang den Zorn nieder, der in ihm aufsteigen
wollte. Nicht mehr lange und genau diese hochnäsigen Weiber
würden ihre Männer anflehen, eines der begehrten
Vollblutpferde bei ihm zu erstehen! Denn dadurch würden sie vor
ihren eingebildeten Freundinnen noch besser protzen können als
mit arabischem Kamelhaartuch, persischem Brokat oder Damast aus
Bagdad!
        Er
stellte sich vor, wie die reichen und adeligen Käufer in Zukunft
katzbuckeln würden, um sein Wohlgefallen zu erregen; wie sie
anstatt mit Smaragden und Rubinen, Pelzen oder Gewürzen mit
einer temperamentvollen Stute aus den Ställen des osmanischen
Sultans prahlen und ihn somit im ganzen Land berühmt machen
würden. Wie Grafen und Ritter gleichermaßen bei ihm
vorsprechen würden, um einen feurigen Hengst für ihre Zucht
zu erstehen. Der Tagtraum zauberte ein Lächeln auf seine Züge,
und als sich der Wächter vor der Tür seines Bancherius leicht vor ihm verneigte, klopfte er diesem jovial auf die Schulter.
»Melde Barbarigo, dass ich ihn sprechen muss«, teilte er
dem kleinen, aber kräftig

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