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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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wiederholte Räuspern der Aufseherin, dass diese das Reich
der Träume verlassen hatte. Hastig schob das Mädchen die
nagenden Fragen beiseite und presste die Lider aufeinander, um den
Eindruck zu erwecken, ebenso fest zu schlafen wie die anderen
Auszubildenden. Als kurze Zeit später die Tür des
Schlafgemaches mit einem durch Mark und Bein gehenden Quietschen
geöffnet wurde, fühlte sie einen leichten Luftzug über
ihr Gesicht fächeln. »Auf, auf!«, ertönte eine
energische Stimme. »Der Faule stirbt vor Hunger, während
sein Essen im Fenster steht!« Beinahe im selben Atemzug
erklangen das Klappern von Waschschüsseln und der entfernte Ton
einer hellen Glocke, und während der Raum allmählich zum
Leben erwachte, schlug Sapphira lustlos die Decke zurück.
Schweigend und übernächtigt tat sie es ihren Gefährtinnen
gleich, hob eine der Schalen auf und trottete mit gesenktem Kopf in
Richtung Innenhof, wo sie sich an einem Springbrunnen wusch.
Daraufhin zog sie sich ihre Arbeitskleidung über den Kopf,
flocht ihr Haar und band sich einen leichten Schleier um die Stirn.
Wenngleich sie alles andere als hungrig war, folgte sie dem Befehl
der Aufseherin und begab sich in einen großen Raum, in dem die
Dienerinnen in der Zwischenzeit aufgetischt hatten. Gemeinsam mit den
anderen jungen Frauen ließ sie sich auf einer einfachen
Bastmatte nieder und ließ sich eine Schüssel mit Bulgur füllen. Dieser
Weizenbrei wurde mit Joghurt übergossen und leicht gesüßt
und stellte die erste Mahlzeit des Tages dar. Nachdem sie eine Zeit
lang appetitlos darin herumgestochert hatte, steckte sie mit einem
Seufzen ihren Löffel in die graue Masse und schob die Speise von
sich. Sie wollte gerade um Erlaubnis bitten, aufstehen zu dürfen,
als ein melodischer Sopran nach der obersten Wächterin
verlangte.
        Wider
Willen neugierig, verfolgte Sapphira, wie diese sich steif auf die
Beine kämpfte und auf eine verschwenderisch gekleidete Dame
zueilte, die – von zwei Eunuchenknaben begleitet – auf
der Schwelle wartete. Heftig tuschelnd und gestikulierend sahen sich
die beiden wenige Augenblicke später um, und als der Blick der
Besucherin auf Sapphira zum Ruhen kam, fuhr dieser die Aufregung in
die Glieder. Sollte ihr Flehen erhört worden sein? Ließ
der Sultan nach ihr schicken? Fahrig schob sie sich eine lose Strähne
hinter das Ohr, während ihr Puls sich schlagartig beschleunigte.
Mit aufgeregt hämmerndem Herzen gehorchte sie der eindeutigen
Geste der Hüterin, die zu ihrem grenzenlosen Verdruss außer
ihr auch die schwarze Sklavin zu sich winkte. »Tut, was die
Herrin euch sagt«, herrschte die Alte die beiden Mädchen
an, kaum hatten diese sich scheu vor der Dame verneigt. Damit ließ
sie sie mit einer gemurmelten Bemerkung stehen und stakste zurück
an ihren Platz. »Keine Sorge«, versetzte die Hofdame mit
einem verschmitzten Funkeln in den dunklen Augen. »Euch
geschieht nichts. Ihr seid auserwählt worden, von der Valide unterrichtet zu werden.«
Die Schmetterlinge in Sapphiras Bauch verwandelten sich in einen
Schwarm Hummeln. »Aber was wird dann aus dem Hospital?«
Es war das erste Mal, dass Sapphira die Stimme des dunkelhäutigen
Mädchens hörte. »Ach«, winkte die Besucherin
ab, »da braucht ihr euch nicht die Köpfe zu zerbrechen.«
Sie wandte sich um und tauchte in den Korridor ein. »Nur ein
Teil eurer Ausbildung findet im Palast statt. Die übrige Zeit
dient ihr in der Oda eurer
Meisterin . Das
ist bei vielen Mädchen so.« Sapphira hörte das
Lächeln mehr, als dass sie es sah. »Nur wenige werden
direkt in die Gemächer des Padischahs befördert.«
Aufgewühlt und mit schwirrendem Kopf hastete Sapphira der
vornehmen Frau hinterher, während sich ihre Gedanken
überschlugen. Als hätten die melancholischen Nachtstunden
nur in ihrer Einbildung existiert, ergriff ein überwältigendes
Hochgefühl von ihr Besitz, das nicht einmal die gleichzeitig
aufflammende Eifersucht auszulöschen vermochte. Sie warf ihrer
dunkelhäutigen Begleiterin einen verstohlenen Seitenblick zu.
Anders als Sapphira selbst schien diese jedoch nicht gerade
begeistert von dem erneuten Wandel ihres Schicksals, sondern wirkte
eher bedrückt. Umso besser!, dachte sie und erschrak, als die
Hofdame ohne Vorwarnung haltmachte. In der Zwischenzeit hatten sie
den Bereich des Palastes, in dem die Dormitorien untergebracht waren,
verlassen und den Ostflügel erreicht. Dort zweigten mehrere
Zimmerfluchten von einem überschatteten Säulengang

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