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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zwielichtigen
Gastwirten oder Zolleintreibern«, spann Lutz den Gedanken
weiter. Und vor keinem Verwandten, der einen unterwegs um Hab und Gut
betrügen könnte, ergänzte Falk die Argumentation in
Gedanken. Obgleich er zuerst hatte aufbrausen wollen, als Lutz ihm
die Idee mit der Bankgarantie unterbreitet hatte, hatte eine leise
Stimme ganz tief am Grunde seines Verstandes ihm zugeflüstert,
dass es besser war, den Teufel nicht zu versuchen. Was konnte es
schaden, sicherzugehen, dass niemand ihn um das Gold bringen konnte,
mit dem er plante, seine Zukunft neu zu gestalten? Und was konnte es
schaden, seinem Onkel nicht ganz so blind zu vertrauen wie er es
bisher getan hatte? Er spielte mit der Zunge an einer scharfen Kante
seines Eckzahnes. Auch wenn er Lutz’ Bedenken für
unangebracht und übertrieben hielt und ihn vehement in seine
Schranken gewiesen hatte, als er ihm ungehalten an den Kopf geworfen
hatte, dass Otto ihn spielte wie ein Instrument.
        Ein
wenig Vorsicht walten zu lassen, war sicherlich nicht verkehrt.
Immerhin wusste er – und da hatte er Lutz widerstrebend
zustimmen müssen – nichts über Otto als das, was der
Katzensteiner ihm erzählt hatte. »Egal, wofür du dich
entscheidest«, riss Lutz ihn aus seinen Überlegungen.
»Vergiss nie, dass du meine uneingeschränkte Loyalität
besitzt.« Zu seinem Verdruss ließen diese Worte Falk die
Augen feucht werden, und er wandte sich mit aufeinandergebissenen
Zähnen von dem alten Freund seines Vaters ab. Als stünde
die Antwort auf all seine Fragen dort geschrieben, starrte er auf den
gewachsten Dielenboden und atmete tief und bewusst ein und aus, bis
er die Kontrolle über sich zurückgewonnen hatte. »Ich
glaube, es ist wirklich das Beste, wenn ich zu Barbarigo gehe«,
gab er mit belegter Stimme zurück und griff nach seinem Filzhut.
»Sobald Otto aus Katzenstein zurückkehrt, müssen wir
aufbrechen.« Denn ansonsten würden sie die Muda
di Romania – den
bewaffneten Galeerenzug, der über Griechenland und
Konstantinopel die Häfen im Süden des Schwarzen Meeres
anlief – verpassen. Und da dieser Geleitzug nur zweimal im Jahr
nach ausgeklügelten Fahrplänen in See stach, zählte
jeder Tag. »Aber Konstantinopel wird doch belagert«,
hatte Lutz eingewendet, als Otto von der Mude berichtet hatte. »Das
ist richtig«, hatte dieser herablassend erwidert, »aber
da unser Ziel Edirne ist, können wir bereits in Gallipoli von
Bord gehen.« Und von da ab würde sie der Geleitbrief
schützen, den Otto in Venedig erstehen wollte. Mit einem Seufzen
versicherte Falk sich, dass Dolch und Geldkatze an seinem Gürtel
befestigt waren und knöpfte die eng anliegende Schecke zu, deren
Brustteil mit reichlich Baumwolle ausgepolstert war. Schließlich
wollte er genauso wenig wie all die anderen Burschen und Männer
der Stadt schmalbrüstig oder gar mager wirken. Ein Schmunzeln
stahl sich auf sein Gesicht, als er daran zurückdachte, wie sein
verstorbener Großvater, Ulrich von Ensingen, stets über
die Eitelkeit der Jugend gewettert hatte. Falks schreiend bunte,
hautenge Beinlinge, die das Tragen der sackartigen Leinenunterhosen
unmöglich machten, hätten ihm sicherlich einen Herzanfall
beschert. Bevor ihn der Strudel der Erinnerung und somit Trübsinn
erfassen konnte, stülpte er sich energisch den Hut auf den
schwarzen Schopf und grunzte eine Verabschiedung.
        Minuten
später befand er sich mitten im Gewühl der Stadt, die an
diesem Mittwoch besonders zu brodeln schien. Sengend stach die späte
Maisonne von einem strahlend blauen Himmel, an dem sich ein Schwarm
Spatzen beschimpfte. Mit gesenktem Kopf drückte er sich an der
Münsterbaustelle vorbei, ignorierte das Gebrüll der Maurer
und Zimmerleute und redete sich ein, dass der Geruch der frisch
gebrannten Ziegel ihn genauso wenig lockte wie das Schlagen der
Steinmetzhämmer. Er hatte seine Entscheidung getroffen! Und sein
Onkel, Hans Kun – der Werkmeister des Münsters –
ebenfalls. Er verzog verdrießlich das Gesicht. Hätte
dieser ihn nicht deutlich die Verachtung spüren lassen, die er
für ihn empfand, als Falk angedeutet hatte, dass er eventuell
irgendwann seine Lehre wieder aufnehmen wollte, dann stünden die
Dinge anders. So allerdings stellte dieser Weg für ihn eine
Sackgasse dar, und er musste sich wohl oder übel damit abfinden,
dass er niemals wieder Stein behauen würde. Er schluckte die
Bitterkeit und wich im letzten Moment einem Haufen Fäkalien aus.
Wenngleich er Trippen –

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