Die Heilerin des Sultans
zahnlose Mund
zu einer Frage: »Was wollt Ihr?« Erstaunt über die
Unhöflichkeit der Bäuerin, runzelte Falk die Brauen und
hoffte darauf, dass Otto sie in ihre Schranken verweisen würde;
was dieser auch umgehend tat. »Weib, wo ist dein Mann?«,
herrschte er sie an und warf den Wappenrock über die Schulter
zurück, sodass das Schwert an seiner Seite sichtbar wurde. Diese
Geste hatte den erwünschten Effekt, da die Alte augenblicklich
den Kopf senkte, etwas vor sich hin brabbelte und zurück ins
Innere der Kate verschwand. Wenig später erschien ein
korpulenter Kerl mit schütterem Haar im Rahmen, dem anzusehen
war, dass es ihm im Gegensatz zu den übrigen Dorfbewohnern nicht
am Nötigsten fehlte. Die Wurstfinger über dem feisten Bauch
verschränkt, zuckten seine Äuglein von Falk zu Otto und
zurück, und irgendetwas an seiner Haltung veranlasste Falk, sich
nervös nach allen Seiten umzublicken. »Es ist spät.
Gewährt uns Eure Gastfreundschaft«, forderte Otto und hob
die Hand, in der eine Münze funkelte. »Es soll sich auch
lohnen für Euch.« Kaum erspähte der Meier das
Geldstück, faltete er sich katzbuckelnd zusammen und
signalisierte seinen beiden Besuchern mit einer übertriebenen
Geste einzutreten. »Eggli«, brüllte er. Da sich
jedoch nichts tat, wiederholte er den Namen – noch lauter als
zuvor. Als ein strohblonder Knabe um die Ecke gestoben kam, versetzte
er diesem eine Maulschelle und blaffte ihn an: »Versorg die
Pferde!« Mit einem unguten Gefühl im Bauch folgte Falk
seinem Onkel in die nach Ruß stinkende Stube und ließ
sich auf Einladung des Bauern an dem wackeligen Tisch nieder. »Leider
gibt es nur Hammeleintopf«, entschuldigte sich der Hausherr,
dessen Frau widerstrebend zwei Schalen mit einer dicken Suppe füllte,
die dem strengen Geruch nach seit Tagen über der Kochstelle
hängen musste. Diese Vermutung wurde bestätigt, als Falk
misstrauisch daran schnupperte und ihm der Gestank von ranzigem Fett
in die Nase stach. Da sie jedoch außer etwas Brot und Käse
den ganzen Tag über nichts gegessen hatten, schluckte er den
Ekel und löffelte die Mahlzeit so schnell wie möglich in
sich hinein. »Schlafen könnt Ihr hier«, verkündete
der Meier, nachdem auch die letzte Krume aufgegessen war und die
Dämmerung vor den winzigen Luken sich in pechschwarze Nacht
verwandelt hatte. »Ich lasse Euch ein paar Strohsäcke und
Decken bringen.«
Wie
erschlagen ließ sich der Knabe eine Stunde später auf die
einfache Bettstatt sinken, und schon bald wiegten ihn das leise
Knistern des ersterbenden Feuers und das angenehme Völlegefühl
in seinem Magen in einen tiefen Schlaf. Gesichtslose Mönche
jagten ebenso durch seine Träume wie hohlwangige Kinder, und als
mitten in der Nacht das Trampeln von Stiefeln erklang, drehte er sich
lediglich grunzend auf die Seite. Kühler Wind kroch unter die
dünne Decke, und der durchdringende Geruch von Schweiß und
feuchtem Leder legte sich wie eine Glocke über die Schlafenden.
Doch erst als sich etwas Kaltes in seine Kehle bohrte, schreckte Falk
aus seinen Träumen auf. Zuerst wollte er sich die Augen reiben
bei dem Anblick, der sich seinen müden Augen bot. Aber ein Schuh
nagelte sein Handgelenk schmerzhaft am Boden fest. Beleuchtet von
zwei schwach zischenden Fackeln, türmten sich die zuckenden
Umrisse dreier Riesen vor ihm auf, von denen der Mittlere ihm ein
Schwert an den Hals gesetzt hatte. Ein panischer Blick aus dem
Augenwinkel verriet ihm, dass es Otto kein Deut anders erging, und er
wollte gerade den Mund zu einer Frage öffnen, als ein
hochgewachsener Mann in den Kreis trat. »Ich nehme an, Ihr
wisst, was wir wollen«, bemerkte er lässig und zog einen
langen Dolch aus einer Scheide an seinem Gürtel. Das von der
Seite beleuchtete Gesicht wirkte durch die unruhigen Flammen beinahe
diabolisch, genauso wie das seltsame Wappen auf seiner Brust. Trotz
der Furcht, die ihm die Luft abschnürte, kniff Falk die Augen
zusammen, um die verschlungenen Tiere zu erkennen – was ihm in
Anbetracht der schlechten Beleuchtung allerdings nicht gelang. »Ich
will nicht lange fackeln«, stieß der Hüne ungeduldig
hervor und gab seinen Leuten mit einem Wink zu verstehen, das Gepäck
der Reisenden zu durchsuchen. In Windeseile drehten die Kerle die
Reisesäcke um, durchstöberten die Kleidungsstücke und
schlitzten sogar das Futter der Obergewänder auf. Danach packten
sie sowohl Otto als auch Falk an den Armen und zerrten sie auf die
Beine, um zu sehen, was die
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