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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Ellenbogen und Hand an, als
ob jemand mit einem Eisenhammer darauf herumdrösche, und der
Kopfschmerz wollte ihm den Schädel spalten. »Ein bis zwei
Tage, wenn Ihr Glück habt«, entgegnete der Hekim und zog einen glatten,
schwarzgrünen Stein aus einer der Taschen, die er mitgebracht
hatte. Dieser – in der Mitte ausgehöhlt – war derart
gestaltet, dass man eine Hand oder einen Fuß hindurchstecken
konnte, und schimmerte matt im durch die Fenster hereinströmenden
Sonnenlicht. »Dieser fleischfressende Sarcophagus wird die Schwellung lindern«, versprach er. Bayezid stöhnte
lauthals, als der Arzt seine Rechte behutsam hinein dirigierte. »Mehr
kann ich nicht für Euch tun, außer zu Allah zu beten, dass er das Leiden
schnell von Euch nimmt.« Damit verneigte er sich tief vor dem
Sultan und zog sich rückwärtsgehend zum Ausgang zurück,
durch den er kurz darauf – gefolgt von Maria Olivera Despina
und den Wächtern – verschwand. Vollkommen entkräftet,
ließ Bayezid ein weiteres Mal die Augen zufallen und hoffte
darauf, dass Gott ihn von den unsäglichen Qualen erlösen
würde. Die Auseinandersetzung mit Timur, die vor wenigen Tagen
noch seine Gedanken beherrscht hatte, war mit einem Mal so weit in
den Hintergrund getreten, dass sie kaum mehr zu existieren schien.
Strafte Allah ihn
für seinen Hochmut und seine Sünden? Oder war das die
Sühne, die für den Brudermord gefordert wurde?

    *******

    Wütend
und gedemütigt rieb Olivera sich die Handgelenke, die von den
Fesseln gerötet waren und unangenehm brannten. Wie konnte er es
wagen, sie so zu behandeln?! Die Furcht, welche ihr für kurze
Zeit die Luft zum Atmen abgeschnürt hatte, hatte sich schnell in
Zorn verwandelt; und hätte sie Bayezid nicht ohnehin für
den Mord an ihrem Vater schon aus tiefstem Herzen gehasst, dann wäre
dies ab dem heutigen Tag der Fall gewesen. Hatte er nicht letzte
Nacht in ihren Armen geschlafen wie ein zufriedenes Kind? Betrunken
geschnarcht und sich an sie geklammert als bedeute ihr Fortgehen das
Ende der Welt? Aufgebracht verscheuchte sie ihre Dienerinnen und warf
sich mit angezogenen Beinen auf die gepolsterte Fensterbank, um mit
leerem Blick in den Hof hinabzustarren. Sie musste allein sein! Wie
hatte sie sich nur so irren können?, fragte sie sich übellaunig,
während sich ein nagendes Gefühl in ihrer Brust
ausbreitete. Hatte sie vor wenigen Stunden noch gedacht, dass der
mächtige Sultan ihr endgültig mit Haut und Haaren verfallen
war und ohne sie nicht mehr leben konnte, so hatte sie dieser Tanz
auf Messers Schneide eines Besseren belehrt. Ob er sie wirklich, ohne
mit der Wimper zu zucken, hätte hinrichten lassen? Lediglich
aufgrund eines Verdachtes, der ihr zwar bewies, dass er ihr Wesen
durchaus richtig zu lesen verstand, der aber meilenweit entfernt war
von den Tatsachen. Sie zog die Oberlippe zwischen die Zähne und
lutschte nachdenklich daran. Was hätte sie davon, ihn zu
vergiften? Und was war es, woran er so überraschend litt?
Wenngleich sie vor Hass und Empörung brannte, gelang es ihr
nicht, diese Frage beiseite zu schieben. Tot nützte er ihr
nichts! Ihre Armreifen klimperten leise, als sie sich mit einem
frustrierten Laut die Nadeln aus dem Haar zog und die Zöpfe
löste, da sich langsam aber sicher ein kriechender Kopfschmerz
über ihre Schläfen ausbreitete. Was, wenn er starb, bevor
er ihr einen Sohn geschenkt hatte? Gegen ihren Willen kehrten ihre
Gedanken zu der leidenschaftlichen Nacht zurück. Wie viel besser
es war, wenn er betrunken war!, dachte sie hitzig. Denn mit jedem
Schluck, den er zu viel trank, gewann sie mehr Macht über ihn
und konnte mit ihm spielen wie eine Katze mit einer winzigen,
schwachen und gänzlich unbeeindruckenden Maus! Sie schüttelte
die blonden Locken – wie um den hartnäckig in ihren
Gliedern sitzenden Schrecken abzustreifen. Sie musste herausfinden,
wer die Schuld trug an seinem Zustand, und dann musste sie alles
daran setzen, endlich ein Kind von ihm zu empfangen. Denn als Mutter
seines Sohnes würde er sie ganz gewiss nie wieder so behandeln
wie heute!

Kapitel 21
     
     
    »Nein,
nein, nein!«, zeterte die Valide und fuhr wie ein
Racheengel zwischen die im Kreis wirbelnden Mädchen, während
die Laute mit einem gequälten Jammern verstummte. »Was ist
denn an Leichtigkeit so schwer zu begreifen?! Ihr stampft
herum wie Bäuerinnen, die Trauben zertrampeln!« Ihr
faltiges, übermäßig geschminktes Gesicht strafte
ihren Namen Gülçiçek Hatun – der so

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