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Die Heilerin des Sultans

Die Heilerin des Sultans

Titel: Die Heilerin des Sultans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zu
lassen, er musste Gewissheit haben! Und wenn er den Janitscharen
befehlen musste, ihr die Zunge Stück für Stück aus dem
Mund zu schneiden, sie würde ihm sagen, womit sie ihn vergiftet
hatte! Und dann würde sein Leibarzt ihm ein Gegenmittel brauen.
Er schluckte mühsam und verkniff sich einen Schrei, als sich
eine weitere Welle der Pein von seinem Arm her ausbreitete. »Binde
sie«, ergänzte er mit rauer Stimme. »Aber keine
unnötige Gewalt.« Noch nicht!, setzte er in Gedanken
hinzu. Er sank matt in den weichen Daunenberg zurück und schloss
die Augen. Das wenigstens schuldete er ihr: Dass er sie erst töten
ließ, wenn kein Zweifel mehr an ihrer Schuld bestand!
        Stunden
schienen in nicht enden wollender Marter vergangen zu sein, als
endlich das aufgeregte Getrappel von Füßen die Ankunft des
Arztes verkündete. Zu schwach, um sich aufzurichten und den Mann
zu tadeln, schlug Bayezid mit letzter Anstrengung die kratzenden
Lider auf und starrte den Hekim mit blutunterlaufenen Augen
an. Dieser – umschwärmt von einem halben Dutzend Helfer
und aufgeregten Wächtern – ließ sich neben dem
Sultan auf die Knie sinken und griff wortlos nach Bayezids gesundem
Handgelenk, um dem Padischah den Puls zu fühlen. »Ihr habt Schmerzen in der Hand?«,
fragte er, da er Bayezids krampfhaft angewinkelten Arm bemerkte. Als
der Patient schwach den Kopf auf und ab bewegte, nickte er wissend.
»Was ist mit Euren Füßen? Sind sie ebenfalls
befallen?« Er erhob sich und betastete die Zehen des Sultans,
da von diesem keine Antwort kam. Nach Ausbleiben einer Reaktion,
murmelte er etwas in seinen weißen Bart, schnippte mit den
Fingern und befahl einem seiner Helfer: »Gib mir die Fliete.«
Kaum hielt er das kleine Messer in der Hand, winkte er zwei der
Wächter herbei und ordnete an, dass sie ihren Herrn an den
Schultern niederhalten sollten. Sobald sie in Position waren, griff
er blitzschnell nach Bayezids rechtem Arm, zwang diesen in eine
ausgestreckte Lage und machte einen langen Schnitt in der Armbeuge
des Patienten – der tobte und brüllte wie ein verwundetes
Tier. Dick und dunkelrot rann das königliche Blut in eine
silberne Schale. Sobald der Arzt genug des Körpersaftes
gesammelt hatte, presste er ein Stück Baumwolle auf die Wunde
und befahl einem seiner Assistenten, es so lange zu halten, bis die
Blutung gestillt war. Bayezid, dessen Gesicht eine gelbliche Farbe
angenommen hatte, gurgelte etwas Unverständliches, was seine
Wachen dazu veranlasste, beklommene Blicke auszutauschen. »Kein
Zweifel«, beschied der Heiler und machte ein Gesicht, als ob er
einen schlechten Geschmack im Mund hätte. »Es ist genau
das eingetreten, wovor ich Euch so oft gewarnt hatte.« Er wurde
von dem Janitscharen unterbrochen, der mit Olivera im Schlepptau in
das Gemach gestürmt kam. Grob stieß dieser die verängstigt
dreinblickende Frau auf die Bettstatt des Sultans zu und drückte
sie auf die Knie. Als habe ihm ihr Anblick etwas Kraft zurückgegeben,
hob Bayezid mühsam den Kopf und presste kratzig hervor: »Du
Hexe, welches Werk hat Iblis dir aufgetragen? Welches teuflische Gebräu hast du mir
verabreicht?« Er sank ermattet und schwer atmend in die Kissen
zurück, während einer der Wächter drohend das
Krummschwert zog. »Sprich!«, flüsterte Bayezid, doch
bevor seine vollkommen verwirrte Gemahlin sich verteidigen konnte,
trat der Hekim zwischen
sie und seinen Herrn.
        »Sie
ist unschuldig«, verkündete er platt und hob das Glas, in
das er einen Teil von Bayezids Blut abgefüllt hatte. »Vergiftet
seid Ihr«, fuhr er fort und ignorierte das erschrockene
Lufteinziehen der Anwesenden. »Aber nicht von fremder Hand. Zu
viel Galle und Schleim, ein Überschuss der Säfte, das ist
es, was Euch Schmerzen bereitet.« Er zeigte anklagend auf einen
Kelch, in dem Überreste von Rotwein eingetrocknet waren. »Das
ist es, was Euch plagt. Ihr leidet an Cheiragra .«
Da der Sultan ihn verständnislos aus tränenden Augen ansah,
erläuterte er näher: »Von heute an müsst Ihr
eine strenge Diät halten. Kein Wein, kein Fleisch und keine
Gewürze. Fisch und gedünstetes, zu Brei zerstoßenes
Gemüse ist alles, was Ihr zu Euch nehmen solltet. Lauch, Kohl,
Karotten und Sellerie. Nur dann wird der Druck auf die Gelenke
nachlassen und der Schmerz abklingen.« »Wie lange wird
das dauern?«, fragte Bayezid matt und zuckte zusammen, als der
Helfer den blutgetränkten Stoffballen aus seiner Armbeuge
entfernte. Immer noch fühlten sich

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