Die Heilerin des Sultans
beiden am Körper trugen. Kaum fiel
der Blick des Räubers auf die Geldkatze, welche der
Katzensteiner selbst in der Nacht nicht ablegte, breitete sich ein
Grinsen auf seiner Visage aus. »Wer sagt es denn«,
triumphierte er und hielt die Hand auf, damit einer seiner Männer
ihm den Inhalt auf die Handfläche schütten konnte.
Als
jedoch lediglich ein paar armselige Pfennige und Schillinge
herausgekullert kamen, stieß er einen heiseren Wutschrei aus.
»Wo habt Ihr den Rest versteckt?«, dröhnte er und
schnellte auf Falk zu, um diesem von hinten den Arm um den Hals zu
legen. Wenige Augenblicke später spürte der Knabe den Stahl
des Dolches, der sich in die empfindliche Haut seiner Halsbeuge fraß.
»Sagt Ihr mir freiwillig, wo es ist, oder muss ich erst Eurem
kleinen Begleiter die Kehle durchschneiden?«, schnauzte der
Anführer, während Falk erfolglos versuchte, der Schneide zu
entkommen. »Lass das, Söhnchen!«, knurrte sein
Bedränger und ritzte Falks Haut, sodass der Junge spürte,
wie ihm ein dünner Blutfaden in den Kragen seines Untergewandes
rann. Worauf wartete Otto?, fragte er sich und kämpfte um
Haltung. Warum rührte sich sein Onkel nicht? Entgegen der
Todesangst, die drohte, ihm die Sinne zu lähmen, sah er, wie ein
Schatten über Ottos Gesicht huschte, der ihm das Blut erkalten
ließ. Für den Bruchteil eines Augenblickes sah es so aus,
als wolle der Katzensteiner mit den Achseln zucken. Doch dann
verdrehte er die Augen, griff nach seinem Schuh und fuhr mit der Hand
in ihn hinein. »Hier«, brummte er und warf etwa ein
halbes Dutzend Gulden auf den Boden. Mit einem zufriedenen Schmatzen
ließ der Riese von Falk ab und bückte sich höchstselbst
danach. »Nicht gerade ein Schatz«, bemerkte er
naserümpfend. »Aber im Stall stehen ja noch die Pferde.«
Damit gab er seinen Leuten einen Wink, und der Spuk verschwand
beinahe genauso schnell wie er gekommen war. Als kurze Zeit darauf
das Klappern von Hufen verriet, dass die Räuber ihre Drohung
wahr gemacht hatten, sank Falk mit einem Stöhnen zurück auf
den Strohhaufen und bettete den Kopf in den Händen.
Kapitel 20
Bursa,
Frühsommer 1400
Kleine
Schweißperlen tanzten auf Bayezids Stirn, als er mit
schmerzverzerrtem Gesicht die rechte Hand an die Brust drückte.
Seit dem frühen Morgen, als er nach einer weiteren
sinnestaumelnden Nacht mit seiner Gemahlin Olivera erwacht war,
fühlte er sich heiß und fiebrig. Hatte er den dröhnenden
Kopfschmerz zuerst auf das fünfte Glas Wein geschoben, ließen
ihn die glühenden Stiche in Fingern und Ellenbogen fürchten,
dass es sich um etwas anderes handelte als bloßen Katzenjammer.
Als er versuchte, einen Kaftan über das klamme Untergewand zu
ziehen, brüllte er vor Schmerzen laut auf, und augenblicklich
stürmte seine Leibgarde das Gemach. »Holt den Hekimbaşi «,
stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor –
froh darüber, dass Olivera nicht Zeugin seiner Schwäche
wurde. Zusammengekrümmt schleppte er sich zurück zu seinem
Lager, und stöhnte, als sich ein durchdringendes Hämmern zu
dem Feuer in seinen Gelenken gesellte. In immer kürzer werdenden
Abständen durchzuckte ihn ein solch Grauen erregender Schmerz,
dass er versucht war, nach einem Messer zu greifen und der Qual ein
Ende zu bereiten. Sollte der Wein vergiftet gewesen sein?, fragte er
sich und versuchte, sich an den Ausdruck in Oliveras Engelsaugen zu
erinnern, als diese ihm ein ums andere Mal den Kelch gefüllt
hatte. Heißblütig und wild wie immer, hatte sie ihm mehr
als einmal den Verstand vernebelt, bevor sie sich schließlich
kurz vor dem Morgengrauen zurückgezogen hatte. War es nur ein
Zufall, dass sie den Weinkrug mitgenommen hatte, oder hatte sie dafür
gesorgt, dass die Beweise für ihre Tat für immer
verschwanden? »Oh, Allah, zerschmettere dieses falsche
Weib!«, ächzte er und rang die Galle nieder, die bitter in
seiner Kehle aufstieg. Wo blieb dieser verfluchte Hekim ? Mit
aufeinander gebissenen Zähnen ließ er zu, dass seine
Leibpagen ihm die Schuhe von den Füßen zogen und ihm
frisch aufgeschüttelte Seidenkissen unter den Kopf schoben, der
sich anfühlte, als ob er gleich explodieren würde.
»Wache!«, krächzte er und trank gierig aus der
Schale mit frischem, leicht gesüßtem Wasser, die einer der
Knaben ihm an die Lippen hielt. »Bring Olivera zu mir«,
befahl er, sobald sich einer der Janitscharen vor ihm verneigt hatte.
Ganz egal, wie es ihm widerstrebte, sie seine Hilflosigkeit sehen
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