Die Heilerin des Sultans
über der scharfen
Nase schleuderten Blitze, und wäre Maria Olivera Despina nicht
an die Beschimpfungen und Ausbrüche der Sultansmutter gewöhnt
gewesen, hätte sie die Heftigkeit der alten Frau sicherlich mehr
beeindruckt. So allerdings neigte sie lediglich scheinbar gescholten
den Kopf, während sie innerlich über die Alte lachte;
wenngleich sie die Anschuldigungen erschütterten. Sollte das
Gebrabbel der Valide tatsächlich der Wahrheit
entsprechen, dann hatte niemand anders außer ihr selbst den
Anfall des Sultans verschuldet. Sie runzelte die Stirn. Aber wie
sollte es möglich sein, dass ein wenig Wein einen Mann wie
Bayezid fällte? Einen Mann von der Stärke dreier Ochsen?
Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen. »Keine Sorge, werte
Mutter«, dröhnte der Bass des Padischahs, und nicht
nur Olivera wirbelte erschrocken herum. »Bayezid Khan«,
hauchte die Valide bestürzt, und zu ihrer heimlichen
Genugtuung sah Olivera, wie sie unter all der Farbe in ihrem Gesicht
erbleichte. »Nicht mehr lange, und der Harem gehört
wieder dir allein.« Ohne auf das Gestammel der Valide zu
achten, wandte er sich Olivera zu, in der bei seinem Anblick die
unterschiedlichsten Gefühle Widerstreit hielten. Einerseits saß
die Demütigung immer noch wie ein Dorn in ihrem Herzen;
andererseits weckten die breiten Schultern und der energische Mund
bereits wieder das Bedürfnis in ihr, ihn mit ihrer Sinnlichkeit
zu unterwerfen. Trotzig hielt sie seinem Blick stand, der –
nachdem er über ihre Rundungen gewandert war – wieder zu
ihrem Gesicht zurückkehrte. »Lasst uns allein!«,
befahl er seiner Mutter und deren Hofdamen, die in beinahe
dekorativen Häufchen über den Boden verteilt waren. Nachdem
auch der letzte Rock verschwunden war, fuhr Bayezid sich mit der
Zunge über die Lippen und griff in die Tasche seines Kaftans.
Was hat er nun wieder vor?, fragte sich Olivera – darum bemüht,
eine ausdruckslose Miene zu bewahren.
Einige
Augenblicke lang musterten sie sich schweigend, während sich die
Spannung zwischen ihnen spürbar aufbaute. Wohl bewusst, dass sie
mit ihrer trotzigen Haltung schon wieder dem Löwen die Hand in
den Rachen steckte, hob Olivera provozierend das Kinn und bohrte den
Blick in Bayezids leicht schräg stehende, braune Augen. Der
blonde, gut gestutzte Vollbart betonte das starke Kinn, das sich
schon so oft an ihren Busen geschmiegt hatte. Beinahe war es, als
könne sie das Kratzen der groben Haare spüren. Ein Prickeln
der Lust kroch ihren Rücken hinauf, als ihre Einbildung ihr das
Gefühl seiner Hände auf ihrem Körper vorgaukelte. Er
räusperte sich mühsam und hielt ihr die ausgestreckte Hand
entgegen, auf der allerlei Geschmeide funkelte. »Das ist für
die Reise«, stieß er heiser hervor. »Du kommst mit
mir nach Griechenland.« Er zögerte einen Moment und
wartete darauf, dass sie die Gabe wie ein zahmer Vogel aus seiner
Pranke pickte. Als sie fragend die Brauen in die Höhe zog, fügte
er hastig hinzu: »Lass dir Gewänder anfertigen. Ein paar
Wochen, dann kehren wir hierher zurück«, versprach er, und
Olivera verkniff sich nur mit Mühe ein Schmunzeln, als seine
Hand in ihre Richtung zuckte. Er vermisste sie! Und der Schmuck war
seine Art, sie um Verzeihung zu bitten! Ein Blick in sein Gesicht
genügte, um sie in dieser Vermutung zu bestätigen. Deutlich
zeichnete sich das Verlangen auf den Zügen des Sultans ab.
Wahrscheinlich war es lediglich die Tatsache, dass sie sich in den
Gemächern seiner Mutter befanden, die ihn davon abhielt, sich
augenblicklich ihrer Ergebenheit zu versichern. »Ich danke
Euch, Gebieter«, gab sie artig, wenngleich reserviert zurück,
da sie keineswegs vorhatte, es ihm leicht zu machen. Wenn er dachte,
er könne die Erniedrigung mit einem Haufen Tand wieder
gutmachen, hatte er sich geschnitten. Sie würde dafür
sorgen, dass er es sich beim nächsten Mal reiflich überlegte,
bevor er seine Schergen auf sie hetzte und sie fesseln ließ wie
eine billige Küchensklavin! Sie sank in eine Verneigung, die ihn
mit Einblicken quälte, die tief genug waren, um das Feuer der
Lust in ihm zu entfachen. »Wenn Ihr erlaubt, ziehe ich mich
zurück«, säuselte sie honigsüß –
wohl bewusst, dass sie ihn mit ihrer Förmlichkeit mehr reizte,
als wenn sie ihm das Geschenk vor die Füße geschleudert
hätte. Da er keine andere Wahl hatte, als sie gehen zu lassen,
nickte er betont herrisch und wandte ihr brüsk den Rücken
zu. »Der Diwan wartet«, knurrte er und rauschte
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