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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sein.
    Vielleicht wusste Aylin, wo es einen Löser gab, dem es an Feingefühl fehlte. Sie würde natürlich wissen wollen, warum, und so gern ich Aylin mochte, ich war nicht sicher, wie gut sie darin war, ein Geheimnis für sich zu behalten. Bei fünf Schmerzhändlerläden in Geveg war die Chance, einen Löser zu finden, der nicht so genau hinsah, groß, aber dennoch beschränkt...
    Ein Mann beobachtete uns, halb versteckt hinter einem Hibiskusstrauch, zwei Läden weiter. Schmuck gekleidet war er auch, in gelbe und grüne Seide. Er hatte nichts bei sich, also kam er nicht von der Fähre. Ein Aristokratensprössling ? Sein Blick wanderte von mir zu Aylin, und seine Lippen verzogen sich zu einem vage vertrauten, missbilligenden Ausdruck.
    »Ich geh jetzt besser und schau, ob noch irgendjemand auf dem Markt einen Träger brauchen kann«, sagte ich. Das Lusthaus war im Besitz von Baseeris, daher interessierte es mich nicht, ob mein fleckiges Hemd oder meine wilden Locken potenzielle Gäste vertrieben, aber ich wollte nicht, dass Aylin deswegen ihre Arbeit verlor. »Gibst du mir Bescheid, wenn du von irgendeiner freien Stelle hörst?«
    »Natürlich.«
    Ich hüpfte von der Mauer herunter, und die Welt drehte sich um meinen Kopf.
    »Ganz ruhig.« Aylin packte meinen Arm und hielt mich auf den Beinen. »Alles in Ordnung?«
    »Nur ein bisschen benommen. Hab mich zu schnell bewegt.«
    »Du bist so mager, ich könnte dich glatt durch meine Gürtelschlaufen ziehen. Brauchst du Geld, um dir was zu essen zu kaufen?« Schon griff sie nach ihrer Tasche.
    »Nein, danke, ich komm schon klar«, sagte ich rasch. Ich hätte es nicht zurückzahlen können, und Großmama hat stets gesagt, Schulden, die man schuldig bleibt, kosten Freunde.
    Sie sah mich unter gerunzelter Stirn an, so, als glaube sie mir kein Wort, fühle aber zu sehr mit mir, mich darauf anzusprechen. »Grüß Tali von mir.«
    »Mach ich.«
    Noch immer war die Welt um mich her ein bisschen wackeliger, als mir lieb war, aber ich gab mein Bestes, um aufrecht in gerader Linie zu marschieren und ihr nicht noch mehr Sorgen zu bereiten. Auf dem Bauernmarkt fiel mir eine stämmige Frau mit einem Korb voller Brot ins Auge. Keine Aristokratin, aber ihr rosarotes Hemd passte zu dem gemusterten Rock und sah weder abgenutzt noch geflickt aus, also stand sie vermutlich im Dienst eines Adelshauses. Wahrscheinlich in der Küche. Sie musterte Mangos, nahm eine nach der anderen in die Hand und schnüffelte daran. Mein Magen rumorte wieder, verursacht weniger von dem Hunger als von dem schlechten Gewissen angesichts dessen, was ich im Schilde führte, aber niemand würde ein Mädchen anheuern, das ständig in Ohnmacht fiel.
    Ich schwankte, als ich sie passierte, und schubste sie gegen den Mangokasten. Die Mangos wackelten, und mehrere rollten von dem orange-gelben Stapel herab. Sie schrie auf, griff nach der Tischkante, ließ ihren Korb und die Frucht auf das derbe Straßenpflaster fallen.
    »Oh, das tut mir leid!« Ich kniete nieder und fing ihren Korb auf, ehe er umkippen und das Brot herausfallen konnte. Gutes Brot, nebenbei bemerkt, warm und eingehüllt in ein nach Zimt duftendes Tuch. »Bitte schön! Ich hoffe, es ist nicht schmutzig geworden.«
    Sie riss mir den Korb aus den Händen. »Blöse 'Veg!«, schimpfte sie. »Pass doch auf, wo du hingehst!«
    »Es tut mir wirklich leid. Ihr habt recht. Ich sollte aufpassen, wohin ich gehe. Es gibt keine Entschuldigung für solche Ungeschicklichkeit.« Ich stopfte zwei Mangos in meine Tasche und reichte ihr drei andere. »Ich glaube, das sind die letzten.«
    Sie musterte mein dunkelblondes Haar und schnaubte: »Nutzloses Pack. Jeder von euch.«
    »Und noch einen schönen Tag, gute Frau.« Ich verbeugte mich.
    Sie brummte nur und widmete sich wieder ihren Einkäufen.
    Ich wartete einen Herzschlag. Und noch einen. Kein alarmierter Aufschrei, kein wütender Bauer, der auf mich zurannte und Bezahlung forderte. Ich entschlüpfte in die Menge und ließ mich mit dem Strom vom Marktbezirk zum Handwerkerviertel treiben.
    Mit zitternden Knien hockte ich mich vor Trivents Lederwarenladen unter eine große Palme und lehnte mich mit ausgestreckten Beinen an den Stamm, sodass mich von drinnen niemand sehen konnte. Madame Trivent mochte es nicht, wenn jemand unter ihrem Baum Rast machte, weshalb der Platz meist frei war. Unter offenem Himmel gab es in Geveg heutzutage nicht mehr allzu viele freie Plätze.
    Ich bohrte meine Zähne durch die Mangoschale,

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