Die Heilerin - Roman
leckte den Saft auf und ignorierte das Kneifen in meinem Inneren, als mein Magen versuchte, das Zeug schneller zu verschlingen, als ich es essen konnte. Die erste Frucht war rasch verschwunden, und ich machte mich über die zweite her, dieses Mal langsamer.
Ich hatte alle morgendlichen Arbeitsmöglichkeiten verpasst, aber nach dem Mittagessen gab es neue Gelegenheiten. Nachmittags kehrten die Fischerboote zurück, also konnte ich mich, wenn ich mich jetzt auf den Weg machte, vielleicht beim Entladen verdingen. Die Abendläufer hatte in dieser Woche eine Glückssträhne. Sie hatten mich zwei Stunden länger dort beschäftigt als all die anderen Entladehelfer auf den Docks. Und sie hatten gesagt, ich hätte gute Arbeit geleistet.
Ich hielt mitten im Kauen inne. Der Seidenmann war zurück, stand hinter einem Zaun und beobachtete mich. Mich, nicht Aylin. Es gab keinen Grund für irgendjemanden, mich zu beobachten, es sei denn, er gehörte zur Heilergilde! Dort hatte ich ihn schon einmal gesehen. Er war hinter dem Ältesten und den Mündeln vorbeigegangen wie ein Schatten.
Die Mango schien in meinem Mund sauer zu werden. Ein Gildeangehöriger hat mit angehört, dass ich schiften kann, und fängt an, mich zu verfolgen? Was, wenn er ein Greifer war? Ich hatte kein Gerede mehr über sie aufgeschnappt seit ihrer Entführungsorgie während des Krieges. Gerüchten zufolge arbeiteten sie für uns und für den Herzog, sodass die Heiler, die sie erwischten, nie wussten, für welche Seite sie am Ende heilen würden. Über Greifer sprachen die Leute nur im Flüsterton, so wie sie auch über Sumpfgeister und das verfluchte Wrack einer Prahm nur im Flüsterton sprachen. Aber die Greifer waren real.
Kau weiter. Lass ihn nicht merken, dass du ihn gesehen hast. Zu nahe an den Sümpfen, um einen weiteren Ausflug in den Kanal zu riskieren. Würde er versuchen, mich auf offener Straße zu schnappen oder...
»Weg da!« Wieder so ein Ausdruck, der stets nur Ärger für mich bedeutete. Madame Trivent rammte mir ihren Besen an den Kopf. Die Strohhalme bohrten sich hinter meinen Augen in die Haut und rissen mir einige Haare aus.
Meine Mango fiel zu Boden. Hastig hob ich sie auf und stemmte mich auf die Beine, zog unter ihren wilden Schwingern den Kopf ein. »Ich geh ja schon, ich bin ja schon weg.«
»Dreckige 'Veg. Belästige meine Kundschaft nicht.« Sie fegte mich wie einen Haufen Müll den Gehweg hinunter und hinaus auf die Straße. »Sieh bloß, dass du Land gewinnst!«
Die Leute legten einen Extraschritt zwischen sich und mich, als sie an mir vorübergingen. Die Soldaten mochten kein Theater, und Ärger hatte die Eigenschaft, auch an Passanten zu kleben wie herumfliegender Matsch.
Ich drehte mich langsam im Kreis, konnte aber hinter keinem Busch, keinem Baum und keiner Ecke eine Spur der gelben und grünen Seide erhaschen. Hunger kann dem Geist Streiche spielen, aber ich glaubte nicht, dass ich ihn mir eingebildet hatte.
Ich duckte mich und mischte mich unter eine Welle von Flüchtlingen. Nach Hause, sagte ich mir. Es hörte sich nach einer guten Idee an. Wenn ich in Deckung blieb und Ruhe bewahrte, würde der Seidenmann mich vielleicht in Ruhe lassen.
Aber das war ein närrischer Traum. Greifer ließen niemanden einfach davonkommen. Die zerrten ihre Opfer mitten in der Nacht fort, und niemand sah sie je wieder. Sie zwangen ihre Gefangenen, Soldaten zu heilen. Die Rebellion am Leben zu halten. Den Herzog zu bekämpfen. Ihn aus Geveg zu verjagen. Das Pynvium in Geveg zu halten.
Doch es hatte alles nicht funktioniert.
Aber ich war für die Gilde nicht von Nutzen, und Geveg hatte keine Soldaten mehr zu heilen, damit sie wieder in den Kampf ziehen konnten. Die Gilde wusste nicht einmal, wer ich war. Ich sprach nur selten mit irgendjemandem außer Tali, und sie würde mich nicht verraten. Wie konnte ...
Ich sog hörbar die Luft ein. Die Wachen am Nordtor. Sie wussten, wer ich war. Sie hatten mich davonlaufen sehen, so verängstigt wie eine Katze.
Ich rannte den letzten Block bis zu Millies Mietshaus. Sie lag am Rand des Weiherrandkanals, nicht weit von der Stelle, an der die Hühnerzüchter ihren Müll abluden. Der Anblick war nicht so schlimm, und der Geruch sorgte dafür, dass die Zimmer billig blieben. Ich donnerte die knarrenden Stufen zu meinem Zimmer im zweiten Stock hinauf.
Die Tür war verriegelt, der Riegel mit einem Vorhängeschloss gesichert.
Ich war nur einen Tag zu spät dran mit der Miete. Millie hatte mich noch
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