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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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inmitten von sanfteren Grün- und Brauntönen.
    »Sie haben mich tatsächlich reingelassen!«, rief ich, und mein Lächeln war beinahe aufrichtig.
    »Oh, Nya.« Sie sprang von der Bank auf und warf sich in meine Arme, und ihre Tränen benetzten dieselbe Schulter, auf die schon Enzie geweint hatte. Mich befiel ein frostiges Gefühl. Hatte die Gilde sie rausgeworfen?
    »Was ist los?«
    »Vada ist weg.«
    Für einen furchtbaren, schulderfüllten Moment war ich froh. Talis Lehre war noch immer sicher. Vada war ihre beste Freundin in der Gilde, und allzu viele meiner Besuche bei ihr hatten ein rasches Ende gefunden, garniert mit den Worten: »Ich muss los. Vada und ich müssen lernen...« Mich hätte es nicht weiter gestört, wenn Vada die Gilde verlassen hätte, wäre das nur nicht gerade zu einem Zeitpunkt passiert, zu dem schon andere Lehrlinge vermisst wurden. »Bist du sicher, dass sie nicht nur für ein paar Tage nach Hause gefahren ist?«
    »Das hätte sie mir gesagt. Wir erzählen einander alles.«
    Alles? »Hast du ihr von mir erzählt?«
    »Natürlich nicht!« Tali trocknete ihre Augen und ließ sich schnaubend zurück auf die Bank fallen. »Das hat nichts mit dir zu tun. Irgendetwas stimmt da nicht. Ich weiß es. Sie ist diese Woche schon die Vierte von uns, die verschwunden ist.«
    Bei allen Heiligen, es ging wieder los! Aber warum sollte die Gilde ihre eigenen Lehrlinge entführen ?
    Tali knetete ihren Rock, und ihre Knöchel waren so weiß wie der Stoff. »Die Leute stellen inzwischen Fragen. Vier Mädchen lösen sich nicht einfach mitten in der Nacht in Luft auf, und ein paar der Jungs sagen, ihre Freunde wären auch verschwunden. Die Gilde schränkt schon die Anzahl der Leute ein, die eine Heilbehandlung bekommen, weil wir so wenige sind. Die Mentoren sagen, wir sollen uns keine Sorgen machen, aber sie verhalten sich, als wäre etwas nicht in Ordnung, wovon sie uns aber nichts sagen wollen.«
    Meine Bibberfüße kehrten zurück. Vermisste Lehrlinge. Greifer, die mir folgen. Verlatta belagert. Wie im Krieg, nur dass dieses Mal keine Rufe nach Unabhängigkeit durch die Straßen hallten, die das Geschehen rechtfertigen sollten. Tali musste vorsichtig sein. Wir alle mussten vorsichtig sein, sollte sich mehr als nur ein Greifer hier aufhalten. »Tali, da ist ein...«
    »Ich habe Angst. Ich höre Dinge von den Einlitzern.« Sie beugte sich näher heran und deckte ihren Mund seitlich mit einer Hand ab. »Sie sagen, der Block würde manchmal Heiler zurückweisen. Als würde er ihren Schmerz nicht wollen.«
    »Was? Tali, du kannst den Einlitzern nicht trauen. Sie sind kaum älter als ich. Pass auf, da ist...«
    »Aber sie haben ihre Lehre abgeschlossen. Sie wissen viel.«
    »Sie wissen nur wenig, sonst hätten sie sich mehr als nur eine Litze verdient.«
    »Sie reden auch über dich.«
    »Die Einlitzer?« Wie viele Leute wussten wohl über mich Bescheid. Kein Wunder, dass die Greifer wie der Gestank von Fischen an mir klebten.
    »Nein, die Ältesten. Deinen Namen haben sie nicht genannt, aber in den Schlafräumen geht schon den ganzen Tag ein Gerücht über ein Mädchen rum, das Schmerz schiften kann. Da war dieser Hühnerzüchter, der schon beim ersten Tageslicht gekommen ist, um sich behandeln zu lassen, und der hat eine Geschichte erzählt, die so außergewöhnlich war, dass sie die Runde gemacht hat. Die Ältesten haben sogar mich nach dir gefragt. Sie haben dafür sogar die Visite unterbrochen.«
    »Warum hast du mir das nicht gleich erzählt?«
    »Sie haben dich Merlaina genannt; also, wozu sich über nichts den Kopf zerbrechen? Niemand außer mir weiß, wer du bist.«
    Und dem Greifer. Selbst wenn man auch ihm den falschen Namen genannt hatte, kannte er doch mein Gesicht. Und jetzt auch das von Aylin ...
    Eine steife Brise wehte meine Locken auf, und Talis Haar klimperte. Gleichzeitig blickten wir hoch und auf den See hinaus, der so groß war, dass wir das andere Ufer nicht sehen konnten. Schwarzblaue Gewitterwolken verdunkelten den Horizont, türmten sich auf wie die zerklüftete Gebirgskette auf der anderen Seite der Stadt. Berge, die Geveg reich an Pynvium gemacht und damit die Gier des Herzogs geweckt hatten. Mehrere Fischerboote holten ihre Netze ein oder setzten bereits die Segel. Die Seestürme gehörten zur schlimmsten Sorte, und wir bekamen an jedem Sommernachmittag unseren Teil ab.
    Tali gab mir ein Brötchen und eine halbe Banane, eingehüllt in etwas, das aussah wie eine Seite aus einem ihrer

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