Die Heilerin - Roman
meinen Vater heilen.«
Jeder Quadratzentimeter meines geplagten Körpers heulte protestierend auf. Ich konnte nicht noch mehr Schmerz ertragen, nicht einmal eine kleine Blase. »Ich kann nicht.«
»Natürlich kannst du. Du hast mich geheilt. Zweimal.«
Nein, nur einmal. Das andere war Schiften gewesen, was ich nie hätte tun sollen. Mamas entsetztes Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf. Du darfst nie wieder Schmerz in einen anderen drücken, Nya. Das ist böse, sehr böse. Versprich mir, dass du das nie wieder tust. Ich hatte mich so sehr bemüht, das Versprechen zu halten.
»Geh zur Gilde. Heute Nacht ist vermutlich jeder Heiler im Dienst.«
»Wir können uns die Gilde nicht leisten.«
»Dann geh zu den Schmerzhändlern.« Waren die Verletzungen seines Vaters klar zu sehen, würde ihm vermutlich nichts passieren. Es fällt schwer, nur so zu tun, als heile man ein gebrochenes Bein. Schwierig wurde es dann, wenn sie es nur halb heilten. Einer der Obsthändler konnte nicht mehr laufen, seit er zu einem Schmerzhändler gegangen war, der ihn nicht richtig geheilt hatte.
»Da war ich schon. Sie haben uns abgewiesen. Sie weisen alle ab.«
Das machte mich sprachlos. Das Fährenunglück hätte ein gefundenes Fressen für sie sein müssen. Niemand würde sich über die geringen Beträge beklagen, die sie boten, solange Angehörige blutende Wunden und Knochenbrüche aufwiesen. Die Leute wären womöglich sogar bereit, die Schmerzhändler zu bezahlen, auch wenn diese sich mit der Heilung und dem späteren Verkauf ihrer schmerzgefüllten Waren zusätzlich eine goldene Nase verdienten. Bei den vielen Flüchtlingen in dieser Stadt war die Nachfrage nach geladenen Pynviumstangen höher als üblich. Man denkt eben zweimal darüber nach, durch ein Fenster einzusteigen, wenn die Gefahr besteht, dass der Sims einem einen Schmerzschlag versetzt.
»Es können doch nicht alle von ihnen die Leute abweisen«, sagte ich. »Hast du es bei den Händlern an den Docks versucht?«
»Ich war bei allen fünf in der Stadt. Drei verlangen sogar Geld, statt welches zu bezahlen, aber als ich sie aufgesucht habe, haben sie gesagt, es gäbe keine Heilungen mehr.«
Das klang gar nicht gut. Wenn die Schmerzhändler alle abwiesen, würden sie auch mich abweisen, und diesmal hatte ich eine Menge Schmerz zu verkaufen.
Danello trat zögernd einen Schritt näher. »Bitte, mein Vater war auf der Fähre. Er ist schwer verwundet, ein gebrochener Arm, ein Bein, vielleicht noch ein oder zwei Rippen. Er kann nicht arbeiten und wird seine Stelle verlieren.«
So viele Verletzungen! Das war unmöglich. So viel konnte ich in meinem jetzigen Zustand ohnehin nicht bewältigen. Ich schleppte jetzt schon viel zu viel Schmerz mit mir herum, und wer konnte schon sagen, wann Tali imstande wäre, mich davon zu befreien. »Was ist mit dir? Du verdienst doch auch Geld. Kannst du nicht die Miete bezahlen, wenn dein Vater nicht arbeiten kann?«
»Heclar hat mich rausgeworfen.« Er sagte nicht, es sei meine Schuld, aber ich hörte es trotzdem aus seinen Worten heraus.
Ich wandte den Blick ab. »Na ja, dann könntest du ja den Posten deines Vaters übernehmen, bis es ihm wieder gut geht. Die meisten Vorarbeiter wären damit einverstanden.«
»Ich kann nicht. Mein Vater ist Kaffeeröster, und davon verstehe ich nichts. Aber du kannst darauf wetten, dass jemand aus Verlatta es gelernt hat. Wenn mein Vater nicht arbeiten kann, wird der Vermieter uns rauswerfen. Meine kleinen Brüder sind gerade zehn geworden. Meine Schwester ist erst acht.«
Zu jung, um auf der Straße zu überleben, selbst wenn Danello auf sie aufpasste, nachdem ihr Vater gestorben wäre. Und das konnte durchaus passieren, wenn die Schmerzhändler nichts mehr kauften. Einige ältere Soldaten konnten Knochen richten, aber ich hatte noch nie von einem gehört, der es gut machte. Danello konnte vielleicht einen Kräuterhändler aus den Sümpfen auftreiben, aber den Pülverchen und Umschlägen, die sie verkauften, war nicht zu trauen. Besser, einen Besuch bei einem ungeschulten Schmerzhändler zu riskieren, als das.
Meine Kehle war wie zugeschnürt, und ich musste husten, um sie freizubekommen. »Ich habe kein Pynvium.«
»Aber du brauchst es auch nicht! Du hast mich geheilt und Heclar meinen Schmerz gegeben. Das Gleiche kannst du auch für meinen Paps tun.«
»Und wer nimmt den Schmerz anschließend? Du?«
Er nickte. Er nickte tatsächlich! »Ja.«
Selbst wenn das keine verrückte Idee wäre,
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