Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
größere Fähre auf das Wrack auf. Der Rumpf brach, Holz wurde von den Spanten gerissen. Menschen, die sich an die Reling klammerten, stürzten auf dem schiefliegenden Deck und rutschten in die Wogen.
    Ich machte weiter, zog sie heraus, zerrte sie an Land.
    Auch, als das Schreien endete und das Weinen begann.
 
    Ich ging langsam, unter Schmerzen, wusste kaum mehr, wo mein eigener Schmerz begann und der, den ich genommen hatte, endete. Gildeheiler rannten mit Tragen an mir vorbei, platschten durch Pfützen und beschmutzten ihre Uniformen. Die meisten waren Lehrlinge und Träger weniger Litzen. Ich sah mich nach Tali um, konnte sie aber nirgends entdecken. Mein Korb war verschwunden. Gestohlen, fortgetreten, ich wusste es nicht, aber das machte nun auch nichts mehr aus. Ich hatte nichts mehr außer Schmerzen.
    Tali würde heute Nacht beschäftigt und morgen erschöpft sein. Bei so vielen Verletzten mochte der Block bereits voll sein, bevor die Nacht endete. Hatten Sie noch einen zusätzlichen Vorrat für Notfälle? Zwei heuballengroße Pynvium-Blöcke, das wäre ein Reichtum, wie ich ihn mir nicht einmal vorstellen konnte, aber würden sie bei so viel Leid reichen?
    Musik und Gelächter lockten mich zu Aylins Lusthaus, aber Aylin war nicht dort. Glückliche, trockene Gesichter leuchteten hinter den Fenstern, unbehelligt von dem Leiden auf den Docks. Die Schmiede war geschlossen, aber der Kamin auf der Rückseite strahlte Wärme ab. Ich lehnte mich an ihn, geschützt von einem Dach, das den größten Teil des Regens von mir fernhielt.
    »Ich kann nirgends hin.« Die Worte purzelten einfach heraus und erschreckten mich. Konnte ich zur Gilde gehen? Vielleicht würden sie mir den Schmerz nehmen, ehe sie erkannten, dass ich nicht für die Heilung bezahlen konnte. Vielleicht gaben sie mir wenigstens einen Platz zum Schlafen. Ich drückte mich fester an die Ziegelsteine. Närrische Gedanken. Ginge ich zur Gilde, könnten diese Mündel oder der Älteste mich sehen. Das Risiko war viel zu groß, nur um eine Nacht im Trockenen zu verbringen.
    Ich hielt nach Aylin Ausschau, aber sie tauchte nicht auf, nicht einmal, als der Regen aufhörte und der Mond herauskam. Also ging ich einfach los, lauschte den Zikaden und der Musik. Morgen würde ich zu den Schmerzhändlern gehen. Ich hatte Schmerz zu verkaufen, haufenweise. Wenn sie merkten, was ich war, konnte ich immer noch weglaufen. Darin wurde ich immer besser.
    Und wenn sie der Gilde von mir erzählten?
    Dann würde ich schneller laufen. Oder mich von ihnen fangen lassen und sie zwingen, mir zu erzählen, warum sie ...
    Hände schossen hervor, zogen mich in die Finsternis zwischen den Häusern. Eine Hand legte sich über meinen Mund, während der andere Arm meine Brust umschlang und meine beiden Arme an meinem Körper festklemmte.
    »Keinen Laut!«
    Leichter getan als gesagt.

Viertes Kapitel
    T u mir nichts«, sagte eine leise Stimme in sachlichem Ton, so als wüsste er, wer ich bin und was ich ihm tun konnte. Die Stimme hörte sich vertraut an, aber ich konnte ihr kein Gesicht zuordnen. Dann fügte er zögernd hinzu: »Und ich werde dir nichts tun, das verspreche ich dir.«
    Meine Finger konnten seinen Arm nicht erreichen, aber sie kribbelten, bereit, in dem Moment, in dem meine Hände seine Haut erreichen konnten, sämtlichen Schmerz in ihn hineinzudrücken. Seine Furcht schien echt zu sein, und bisher hatte sich noch nie jemand vor mir gefürchtet.
    »Ich will nur mit dir reden.« Er nahm die Hand von meinem Mund, hielt mich aber immer noch fest.
    Ich war zu wütend, um zu schreien, aber Empörung musste ich nicht erst vorspielen. »Was willst du?«
    »Ich brauche deine Hilfe. Wenn ich dich loslasse, versprichst du mir, nicht wegzulaufen? Oder mir wehzutun?« Seine Stimme klang verzweifelt.
    »Ja.«
    Er ließ mich fallen wie eine lebendige Schlange. Ich wirbelte herum, die Finger gespreizt, als könnte ich Schmerz verblitzen wie ein aufgeladener Pynviumstab. Ein hübscher Junge starrte mich mit nervöser, sogar verlegener Miene an, und im Mondschein sah er beinahe aus wie ...
    »Du bist der Nachtwächter.«
    Er nickte und lächelte. Dieses Mal war das Lächeln aufrichtig, und ich konnte nirgends ein Rapier sehen. »Ich heiße Danello. Es tut mir wirklich leid ...«
    »Warum hast du mich festgehalten?«
    »Ich hatte Angst, du läufst davon, denkst vielleicht, ich würde dich wieder festnehmen wollen.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Was willst du?«
    »Du musst

Weitere Kostenlose Bücher