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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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während Taleke ruhig und meistens erfolgreich Kranke mit wenig Geld heilte. Sie genoss einen guten Ruf und war dankbar dafür. Mehr als ein kleines Ärgernis waren deshalb Gerüchte, die ihr zufällig zu Ohren kamen und in denen es um die verstorbene Dirne Hedwig ging. Es hieß, Taleke habe Hedwig sterben lassen und im Augenblick ihres Todes Gott gelästert.
    Taleke war außer sich vor Zorn. Woher kamen diese hässlichen Gerüchte? Und wie sollte sie ihnen begegnen?
    Als sie kurz darauf, wie so häufig, zu einer der Dirnen in der Nachbarschaft gerufen wurde, beschloss sie, unumwunden danach zu fragen.
    Die alternde Metteke, die nicht mehr gut zu Fuß war, benötigte ein Mittel für die Haut. Sie saß schwer atmend auf ihrem Bett, ihr hochgeschobenes Unterhemd ließ die weißen Wülste von Bauchfett sehen, und ihre geschwollenen Beine standen auf dem Lehmfußboden wie Dalben in der Trave.
    »Bei Tage sehe ich hässlich aus«, sagte Metteke. »Meine Liebhaber werden weniger.«
    Taleke nickte verständnisvoll. Mettekes Gesicht wies bläuliche Stellen und Unreinheiten auf. »Ich kann dir einen Rat geben. Eine Ringelblumentinktur vom Apothecarius wäre gut. Zwei Tropfen davon in das Wasser, mit dem du dir das Gesicht anfeuchtest, können Wunder wirken. Falls du die Tinktur nicht bezahlen kannst, besorge Salbeiblätter und bereite daraus einen Sud, den du sowohl trinken als auch für dein Gesicht verwenden kannst.«
    »Ich werde den Salbei nehmen«, entschied Metteke würdevoll.
    »Die Schwellung in den Beinen könntest du durch Wassertreten im kalten Wasser bekämpfen.«
    »Wasser habe ich.« Metteke deutete zufrieden hinter sich, wo sich der Garten mit dem Brunnen befinden musste.
    Wahrscheinlich war das Brunnenwasser Brackwasser, aber für ein Fußbad unschädlich. »Das ist gut«, meinte Taleke. »Kannst du dich an Hedwig erinnern, die vor einem halben Jahr gestorben ist? Hedwig von der Petersiliengasse?«
    »Hedwig. Ja, doch, ich glaube … Du musst wissen, dass ich schon lange nicht mehr ausgehe.« Mettekes Blick wich dem von Taleke aus und heftete sich auf die Feuerstelle.
    »Weißt du, woran sie gestorben ist?«
    »Viele von uns sterben früh.«
    »Das war nicht meine Frage, Metteke«, tadelte Taleke sanft.
    Der Blick der alternden Hure wanderte wieder zurück zu Taleke. »Die Tiburga hat sie umgebracht.«
    »Aber es heißt, ich hätte Hedwig auf dem Gewissen. Wer erzählt so etwas?«
    Metteke zuckte die Schultern.
    »Godele?«, riet Taleke.
    Mettekes Hals verschwand geradezu zwischen den hochgezogenen Schultern, und ihr Gesicht wirkte noch breiter. Taleke sah ein, dass sie keine Antwort erhalten würde, und ging.
     
    Die Petersiliengasse war eine Querstraße der Grube, in der Metteke hauste. Hedwig und Godele hatten in der letzten von drei baufälligen Hütten gelebt. Rauch quoll durch die Ritzen der Gefache und durch das Reetdach, es wurde also gerade gekocht.
    Taleke beschleunigte ihre Schritte, sie wollte nicht, dass Godele sie sah und im letzten Augenblick entwischte. Nur Godele war zugegen gewesen, als Taleke der Hedwig das Kreuz in die Hände gegeben hatte. Die Vermutung lag nahe, dass sie die Gerüchte gestreut hatte, auch wenn Taleke sich nicht vorstellen konnte, warum die junge Hure ihr übelwollen sollte.
    Als sie geklopft hatte, wurde die Tür von einer Frau geöffnet, die Taleke noch nie gesehen hatte, offenbar die neue Mitbewohnerin. »Ich möchte gerne mit Godele sprechen«, sagte Taleke höflich.
    »Godele? Wer ist das?«
    Taleke sah sie verblüfft an. »Die junge Godele, die hier zusammen mit Hedwig gewohnt hat.«
    Die Hausbewohnerin schüttelte energisch den Kopf. »Du musst dich irren. Hier hat nie eine Godele gewohnt. Und eine Hedwig kenne ich auch nicht.«
    Taleke musterte kurz die Umgebung. Hinter der Hütte, deren Giebel zur Gasse gerichtet war, sah sie die Trave fließen. Sie war ohne Zweifel am richtigen Haus.
    Vom Fluss her stieg gerade ein etwas älteres Weib die Gasse hoch. Auch eine Dirne. Hierher verirrten sich keine Bürgersfrauen. Taleke grub hastig in ihrem Beutel nach einer kleinen Münze und trat dann der Hure in den Weg. Sie hielt ihr das Geldstück hin. »Du kennst doch Godele! Ist sie umgezogen? Wo wohnt sie jetzt?«
    Die Frau schnappte sich das Geld und schob es sich in den Ausschnitt. »Du bist die Heilerin Taleke, oder?«
    Taleke nickte.
    »Eine Godele gibt es hier nicht und hat es auch nie gegeben. Moin, moin.« Resolut setzte die Dirne ihren Weg mit einem kleinen

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