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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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war ich für ihn die Hure, und er scheute sich nicht, es in Gegenwart anderer auszusprechen. Undankbarkeit, Rachsucht – ich weiß nicht, was ihn umtreibt.«
    »So ist er«, bestätigte Wittenborch lakonisch. »Ich habe erst ganz allmählich erkannt, dass er andere Menschen ausnutzt.«
    »Wirklich? Selbst Euch?«, flüsterte Taleke erschrocken. Sie hatte eher vermutet, dass es an ihr gelegen hatte, weil sie sich oft nicht so verhalten hatte, wie er es erwartete.
    »Ja, aber macht Euch keine Gedanken. Ihr seid ja nun hier und widmet Euch wichtigen Aufgaben. Nicolaus sollte für Euch Vergangenheit sein.«
    Taleke nickte dankbar. »Das bringt mich zu einer Frage, die Ihr als weitgereister Seemann vielleicht beantworten könnt: Sind irgendwo in der Gegend Blattern aufgetreten? Ein neuer Blatternlauf?«
    Wittenborch zog die Augenbrauen in die Höhe. »Blattern in diesem Jahr? Nicht, dass ich wüsste. Davon habe ich nichts gehört.«
    »Nun, ist auch nicht so wichtig«, wiegelte Taleke ab.
    »Mir scheint aber, doch«, widersprach Wittenborch. »Ich traue Euch leichtfertige Bemerkungen nicht zu. Ihr habt Grund, Euch Sorgen zu machen.«
    »Ja, das stimmt«, gab Taleke zu. »Ich betreue einen Jungen mit Blattern. Ich will feststellen, woher er sie hat. Es muss irgendwo noch mehr Kranke geben, vielleicht hat man die Pocken aus einem der nächsten Weiler eingeschleppt.«
    »Da stimme ich Euch zu.« Wittenborch verabschiedete sich höflich, indem er seine Kappe vom Kopf zog und sich leicht verneigte. »Ich bin sicher, Ihr werdet es herausbekommen.«
    Taleke sah ihm ungläubig nach. Eine solche Wertschätzung hatte sie bisher von keinem Mann erlebt.
     
    Bei Talekes nächstem Besuch saß Hermen aufrecht im Bett, Grete dicht davor. Hermens Hände fuhren blitzschnell unter die Decke, als sie das Zimmer betrat.
    »Du kannst die Würfel wieder hinlegen, Hermen, ich habe sie schon gesehen«, verlangte Taleke lachend. »Hatte ich nicht gehört, dass sich Grete dem äußerst frommen Werk des Stickens hingibt? Von Würfelspiel war nicht die Rede, glaube ich.«
    »Oh, oh!«, rief die alte Amme und schlug beschämt die Augen nieder. »Ich …«
    »Ich sehe allerdings«, sagte Taleke mit einem Seitenblick auf Hermens Hände, die mit ihren inzwischen verkrusteten Pockenbläschen jetzt akkurat nebeneinander auf der Decke lagen, »dass du deine Erfahrung als Amme noch nicht verlernt hast. Es ist eine großartige Idee, Hermens Hände mit Würfeln zu beschäftigen, da muss das Sticken eine Weile zurückstehen. Ich bin ganz sicher, dass Hermen dadurch die Hälfte der Zeit vergisst, sich zu kratzen. Aus dem zwanghaften Kratzen können wieder neue Krankheiten entstehen, deshalb ist das gefährlich.«
    »Ja, ich vergesse das Kratzen«, bestätigte Hermen ernsthaft.
    »Meint Ihr wirklich?«, vergewisserte Grete sich zaghaft.
    »Aber natürlich«, bestätigte Taleke. »Die Blattern jucken höllisch, und jede Methode, die Hände zur Ruhe zu bringen, ist willkommen. Wenn ihr wollt, kann ich Frau Blomenrot sogar darauf hinweisen, dass nach dem Lehrbuch von Razes auf diese Weise Narben verhindert werden können.« Er hatte zwar andere Mittel vorgeschrieben, aber welche Rolle spielte das schon?
    »Ihr seid ja eine ganz Listige, Meisterin!«, rief Hermen kichernd aus.
    »Hermen! Das steht dir nicht zu!«, schalt Grete entsetzt.
    »Lass nur, Grete. Ich glaube, wir dürfen alle ein wenig über die Stränge schlagen, weil wir so erleichtert wegen Hermens Genesung sind.«
    »Meisterin Taleke, Frau Blomenrot hat mir versprochen, dass ich meinen Vater für einen Tag besuchen darf, bevor ich wieder in die Brauerei gehe. Darf ich morgen schon …?«
    »Um das zu entscheiden, müsste ich mir erst deine Beine ansehen«, sagte Taleke.
    Grete stand auf. »Ich komme wieder, Hermen«, sagte sie barsch und mit gefurchter Stirn. »Einmal muss auch ich gewinnen.«
    Hermen nickte breit grinsend und schlug die Decke zurück, damit Taleke ihn untersuchen konnte. Auch auf seinen Beinen hatten sich schon Krusten gebildet, aber noch waren einige Bläschen zu sehen.
    »Am besten, du wartest noch zwei, drei Tage, dann darfst du los«, entschied Taleke. »Im Augenblick könnten deine Blattern sich öffnen und auf andere Menschen übergehen, und das wollen wir nicht.«
    »Gut. Im Bett ist es auszuhalten«, befand Hermen. »Regelmäßiges Essen, ein warmes Zimmer und Spiele. So gut hatte ich es schon lange nicht mehr.«
    »Hattest du es schon einmal so gut?«
    »Ja, als ich bei

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