Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
meinem Vater und meinem Bruder lebte. Aber nur für kurze Zeit, soweit ich mich erinnern kann. Mein Bruder hatte eine seltsame Krankheit, und da schickten sie mich fort, damit ich die nicht auch bekomme. Ich habe später einmal den Herrn Bertram von Altkerke nach der Krankheit gefragt. Er hatte keinen Namen dafür, aber er hat mir geraten, nie Bohnen zu essen, vor allem keine Saubohnen.«
    »Tatsächlich.« Der städtische Arzt begann Taleke zu imponieren.
    »Ja. Und das habe ich auch nie getan. Aber mein Bruder Giovanni soll einmal hier in Lübeck nach einem solchen Essen von der Bank gefallen sein.«
    »Er lebt auch in der Stadt? Und ihr habt nichts miteinander zu tun?«
    »Das müsst Ihr verstehen, Meisterin. Giovanni ist der erbberechtigte Sohn eines Ritters und verkehrt in den Kreisen der Großkaufleute von Lübeck. Ich bin der Sohn desselben Ritters, aber ein Bankert. Ob man mich als Brauer zulassen wird, ist deshalb fraglich. Allein, dass mein Vater mich als Lehrling unterbringen konnte, muss ich schon als Glück erachten.«
    »Hm«, brummelte Taleke. Sehr gerecht erschien ihr dies nicht, aber die Welt war eben nicht gerecht. Auch sie hatte Glück gehabt. »Ich werde jetzt Frau Blomenrot noch einen kurzen Besuch abstatten, und dann ist die Behandlung beendet. Was meinst du dazu?«
    »Jawohl, Meisterin Taleke«, sagte Hermen und verbeugte sich artig, wie man es ihm wohl im Haus seines Vater beigebracht hatte. »Danke.«
     
    »Eure Haut sieht schon sehr erfreulich aus«, stellte Taleke fest, als man sie zur Hausherrin gebracht hatte, die stickend am Fenster saß.
    »Ich fühle selbst, wie sie straffer wird«, bestätigte Frau Blomenrot und strich sich über die Wange. »Wie geht es Hermen heute?«
    »Er ist fast gesund. Noch zwei, drei Tage im Bett, dann sind alle Bläschen verschwunden und die Krusten abgefallen.«
    »Gottlob! Das haben wir Euch zu verdanken.«
    »Nein, Grete!«, widersprach Taleke entschieden. »Sie hat ihn vorbildlich gepflegt. Bei dieser Krankheit ist die Pflege das Wichtigste.«
    »Wenn man weiß, was getan werden muss. Es ehrt Euch, dass Ihr Euer Verdienst an Grete abtretet. Ich habe mich entsprechend Eurer Bitte inzwischen erkundigt, wo Hermen in den Tagen vor seiner Krankheit hingeschickt wurde.«
    Taleke war ganz Ohr.
    »Er war hauptsächlich in der Brauerei beschäftigt. Außerdem wurde er zur Überwachung einer Bierlieferung in die Häuser zweier Ratsherren geschickt. Die Lieferung wurde ihm ordnungsgemäß schriftlich bestätigt. An drei Tagen war er abgestellt, um im Rathaus während einer endlosen Sitzung Bier auszuschenken. Sein höfliches, geradezu höfisches Wesen macht es seinem Lehrherrn, meinem Ehemann, leicht, ihn besonders bei solchen Veranstaltungen hinzuzuziehen. Hermen wird stets gelobt. Er ist keiner, der je Bierfässer rollen wird, für das Grobe hat mein Gemahl andere Leute. Irgendwann wird er mit Fürsten über die Lieferung großer Kontingente unseres Biers verhandeln, hoffen wir. Es ist eines der Besten von Lübeck.«
    »Und sonst war Hermen nicht unterwegs?«
    »Nein. Das Einzige, das mir noch in Erinnerung ist, ist meine Bitte an ihn, auf dem Rückweg auf dem Marktplatz Butter zu kaufen. Das hat er auch gemacht. Er ist sehr zuverlässig.«
    »Ja. Danke«, sagte Taleke ratlos.
    Als Taleke später auf dem Heimweg war, sah sie sich gezwungen, Razes zuzustimmen, dass der erste Fall eines Blatternlaufs wohl aus sich selbst entstand. Ursache sei das zum Aufwallen geneigte Blut junger Leute, das Traubensaft gleiche, in dem die Gärung noch nicht begonnen habe. Aber wenn dann das Blut wie Traubensaft aufbrause und aufwalle, scheide diese Säftemischung Stoffe aus, die die Fäulnis bedinge und sich als Blattern äußere.
    Die Erklärung hörte sich sehr vernünftig an. Nur konnte Taleke nicht recht daran glauben. Hermen schien ihr ein denkbar ungeeignetes Beispiel für hitziges Blut und kampfbereite Fäuste zu sein. Seine Werkzeuge waren Kopf und Zunge.
    Dann fiel ihr plötzlich Hermens Bemerkung ein, man habe ihn weggeschickt, damit er sich die seltsame Krankheit seines Bruders nicht holte. Und wie war es mit ihr selbst? Warum hatte sie sich noch nie an Blattern angesteckt? Sie hatte nie welche gehabt.

Kapitel 22
    Die Blattern waren in Lübeck kein Gesprächsthema, dazu gab es derzeit zu wenige Fälle. Die Familie Blomenrot hütete sich, etwas verlauten zu lassen, und als Hermen wieder gesund war, bestand dazu ohnehin kein Anlass mehr.
    Etliche Tage gingen ins Land,

Weitere Kostenlose Bücher