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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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wieder um die Frage, was diese Blattern mit ihr zu tun hatten.
    Ungewohnt untätig, wusste sie mit sich nichts anzufangen. Bis zu dem Augenblick, in dem Maître Bertram von Altkerke in Begleitung zweier Gerichtsdiener vor ihrer Tür stand.
    »Es tut mir leid, Meisterin«, begann er, »ich muss Euch wegen der Hure Hedwig aus der Petersiliengasse befragen. Es ist eine Anzeige eingegangen.«
    »Dann kommt herein«, bot Taleke matt an. Auch das noch! Irgendetwas in der Art hatte sie befürchtet.
    Von Altkerke schritt bedächtig in den Behandlungsraum, gefolgt von den beiden Stadtdienern, deren Pantinen mit jedem Schritt Matsch auf dem saubergefegten Fußboden abluden. Zur Strafe mussten die Männer stehen bleiben, während Taleke dem Arzt einen Hocker hinschob.
    Von Altkerke musterte mit unverhohlener Neugier die Bündel von getrockneten Kräutern und Pflanzenwurzeln, die an Hanfschnüren von den Deckenbalken und den Pflöcken in den Gefachen hingen, jedes einzelne Gebinde auf einem Birkenrindenstreifen mit dem Sammelmonat versehen. Auf einem Brett an der Wand waren Säckchen aufgereiht, auch sie beschriftet. »Ihr haltet Ordnung«, meinte er anerkennend.
    »Gewiss. Die Wirkstoffe der Pflanzen schwächen sich mit der Zeit ab, wie Ihr wisst, deshalb muss ich notieren, wann ich sie gekauft oder gepflückt habe. Unwirksame muss ich wegwerfen, das geschieht gar nicht so selten.«
    »Da habt Ihr bessere Kenntnisse als ich. Ich muss immer dem Apothecarius vertrauen.«
    »Ich vertraue nur mir selbst«, merkte Taleke grimmig an, »seitdem ich in Paris am eigenen Leib erfahren habe, dass es unehrliche Apotheker gibt.«
    »Der Lübecker Apotheker ist ehrlich, auch wenn er noch keine hochherrschaftliche Offizin hat. Er kämpft gegenwärtig darum, eine Ratsapotheke einrichten zu dürfen.« Der Arzt machte eine Pause und seufzte tief. »Meisterin Taleke, ich bin hier, weil üble Gerüchte die Runde machen, dahin gehend, dass Euch der Tod einer gewissen Hedwig anzulasten sei. Dazu kommt noch der Vorwurf der Blasphemie, der Gotteslästerung.«
    Taleke nickte. Sie hatte geahnt, dass man sie wegen des Vorwurfs verfolgen würde. »Ich wurde kurz vor Hedwigs Tod gerufen. Die Engelmacherin Tiburga hatte ihr die tödlichen Verletzungen zugefügt, und Hedwig verblutete vor meinen Augen. Tiburga war schon geflüchtet, bevor mich Hedwigs Hausgenossin Godele holte.«
    »So ähnlich habe ich es mir ausgemalt. Tiburga ist bekannt als Todesengel für Dirnen, die sich in anderen Umständen befinden, aber bisher wurde sie stets durch merkwürdige Umstände vor dem Richtstuhl bewahrt. Meistens waren Ratsherren im Spiel, die ihre über die Stränge schlagenden Lumpen von Söhnen schützen wollten.«
    Taleke verschwieg ihm, was sie von Godele über den wahrscheinlichen Vater des Kindes, einen jungen Herrn, der fast noch ein Knabe war, erfahren hatte, denn es war nur eine Vermutung von Godele, und eine solche hatte Taleke kein Recht zu äußern. Erschrocken über die klare und verächtliche Sprache des Medicus, rollte sie die Augen in Richtung der Stadtdiener. Deren Mienen blieben unverändert gleichmütig, aber man wusste nicht, wie viel des Gespräches sie verstanden und weitergeben würden.
    Von Altkerke zuckte gleichgültig die Schultern, erhob sich und forderte Taleke mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen.
     
    Während Taleke noch erwog, die Beine in die Hand zu nehmen und in das kirchliche Asyl des Paradieses am Dom zu flüchten, merkte sie, dass von Altkerke nicht den Weg zum Westtor einschlug, wo es Verliese gab, sondern zur Petersiliengasse. Der Stadtrat war offenbar gut informiert.
    Dieselbe Frau wie vor ein paar Tagen öffnete die Tür von Hedwigs Hütte. Ihre wohlwollende Miene beim Anblick des stattlichen Mannsbildes vor ihr schlug in Furcht um, als sie die Stadtdiener sah und Taleke erkannte. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich sie nicht kenne!«, kreischte sie. »Warum hetzt du mir die Gerichtsbarkeit auf den Hals?«
    »Das ist ein Irrtum. Meisterin Taleke hat dir niemanden auf den Hals gehetzt. Dürfen wir eintreten?« Der Arzt war zwar höflich, aber er schritt über die Schwelle, ohne erst die Erlaubnis abzuwarten, und Taleke folgte ihm auf dem Fuß.
    Drinnen sah es genauso aus wie damals. Ein breiteres Wandbett an der langen Seite der Hütte, ein schmaleres an der kurzen. An dessen zerschlissenen Überwurf erinnerte sich Taleke noch.
    »Bist du die Dirne Ermgard Alrogge?«, fragte von Altkerke.
    Sie nickte eingeschüchtert, und

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