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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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gewordene Schwäche eines der ihren.
    Ein Jüngling mit flachsblonden Haaren deutete mit einer gotländischen Gabel auf die Schüssel mit Dörrfleisch und Saubohnenmus. »Die Speise ist in Ordnung. Das Dörrfleisch ist nicht ranzig. Die Saubohnen habe ich auch probiert, sie sind in frischer Milch gekocht und mit Muskatblüte gewürzt, wie es sich gehört, stimmt’s, Wirt?«
    »Oh, junger Herr, Ihr sprecht die Wahrheit«, rief der Wirt und verbeugte sich voller Dankbarkeit ein ums andere Mal vor ihm.
    »Das sagst ausgerechnet du, der du ein teuflisches Werkzeug beim Essen benutzt, als hätte es unsere Kirche nicht verboten?«, erkundigte sich einer, dessen Hände von den Hahnenschlegeln völlig verschmiert waren, sarkastisch.
    Wittenborch presste die Kiefer zusammen, um nicht ausfallend zu werden. Da war es wieder, das alte Vorurteil. Warum sollte eine Gabel, die nicht nur auf Gotland, sondern auch im norwegischen Bergen in Gebrauch war, das Instrument des Teufels sein, nachdem die frommen Byzantiner sie jahrhundertelang benutzt und die Nordländer sie aus praktischen Gründen übernommen hatten? Vermutlich war der weichlich aussehende Ankläger, der so gut über Teufelswerkzeug Bescheid wusste, der illegitime Sohn eines Domherrn.
    »Also, wird’s bald, Wirt?«, brüllte Puttfarcken, außer sich vor Wut. »Ich möchte ungestört zu Ende speisen!«
    »Ja, ja«, rief der Wirt und befahl mit gedämpfter Stimme den Knecht zu sich. Zusammen schleppten sie den bewusstlosen Giovanni in die hintere Stube.
    »Und du kommst zu mir, Volrad«, ordnete Puttfarcken mürrisch an. »Wenn es keine Vergiftung ist, wird er sich schon erholen.«
    »Ich muss jetzt wirklich los«, entschuldigte sich Wittenborch. »Ich muss vor dem Mittagsläuten noch wegen vier Timmern weißer Hermelinfelle verhandeln, die ich durch Zufall in die Hand bekam.«
    Puttfarcken zog die Augenbrauen in die Höhe. »Weiße Hermelinfelle. Donnerwetter! Willst du sie nicht meinem Vater anbieten?«
    »Meinst du, er wäre interessiert?«
    »An weißem Hermelin immer! Eil dich am besten. Die Ratsherren werden jetzt gerade ihre Mahlzeit im Ratskeller beendet haben und lüften ihre weinvernebelten Hirne vor der nächsten Sitzung wahrscheinlich auf dem Rathausplatz aus. Bitte bestelle ihm die untertänigsten Grüße seines ältesten Sohnes.«
    Wittenborch nickte und umarmte schweigend seinen Jugendfreund, der ihm allmählich fremd zu werden drohte. Hoffentlich ging er ihm nicht verloren. »Seh’ ich dich noch vor deiner Abreise?«, fiel ihm an der Tür ein.
    Nicolaus Puttfarcken zuckte die Schultern. »Kommt darauf an, wann wir dem Kaak das ratsherrliche Gewand anlegen können. Ich muss ein paar Vorbereitungen treffen.«
    »Dann wünsche ich dir jedenfalls viel Erfolg beim Studium der Jurisprudenz«, verabschiedete sich der Schiffer und setzte seine Kappe auf.
    »Ich tue schon lange nicht mehr, was mein Herr Vater sagt, und in Paris werde ich damit nicht wieder anfangen! Ich habe mich entschlossen, Medicus zu werden.«
    Wittenborch nickte und zog die Tür hinter sich zu, dann erst fiel ihm auf, wie wenig Nicolaus’ Plan zu seinen bisherigen Liebhabereien passte. Er interessierte sich doch gar nicht für Krankheiten.
    Durch den Hof gelangte er in die Küche zurück, wo er sich vergewissern wollte, dass sich dieser Giovanni erholte.
    Noch war er nicht wieder zu sich gekommen. Der Schiffer lagerte die Beine des unglücklichen Jünglings hoch, sorgte dafür, dass er frei atmen konnte, und rieb seine kalten Hände, bis sie wärmer wurden. Er wachte über ihn, bis er die Augen aufschlug und auf zittrigen Beinen in die Schankstube zurückkehren konnte.

Kapitel 3
    Voller Hoffnung auf ein neues Leben war Taleke von der Kogge des Schiffers und Kaufmanns Volrad Wittenborch auf die steingepflasterte Kaje von Lübeck gesprungen. Was aus der Ferne wie ein Hügel mit zwei Erhebungen ausgesehen hatte, erwies sich aus der Nähe als schwer befestigte Stadt. Andächtig legte Taleke den Kopf in den Nacken, um die hohe Stadtmauer aus Backstein zu betrachten.
    Im Bereich des Hafens war sie von mehreren kleinen Pforten durchbrochen, die nicht bewacht wurden. Erst jetzt wusste Taleke das Geschenk, das ihr der Bergenschiffer gemacht hatte, richtig zu würdigen: Sie konnte tatsächlich in die Stadt gelangen, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Vor den großen Toren an den vier Fernstraßen wurden die ankommenden Reisenden dagegen von den Soldaten des Rats oder des Bischofs befragt und

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