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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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in der Stadt war deren Betätigungsfeld, hier wussten sie sich vermutlich alles zu verschaffen, was sie brauchten. Hingegen gab es hier weder Gänse noch Kräuter, die sie selbst leicht in eine Mahlzeit hätte verwandeln können.
    Einen Versuch machte sie in einem Gildehaus. Doch sie wurde von einem Burschen so schnell hinausgeworfen, dass sie nicht einmal feststellen konnte, welches Handwerk die Männer ausübten.
    In dieser Stadt war sie nicht erwünscht.
    Während sie noch ihren Rock sauber klopfte, gingen ihre Gedanken zurück zu ihrer Mutter. Ob sie sie vermisste? Sollte sie zurückgehen?
     
    Noch nie hatte Taleke sich so verlassen gefühlt. Diese Welt war nicht ihre, sie wusste nicht mit ihr umzugehen. Und Schiffer Wittenborch hatte mit seinen Vorbehalten recht gehabt.
    Schließlich geriet sie auf einen großen Platz mit zwei langgestreckten, prächtigen Gebäuden. Unter den Arkaden des einen wurde mit Stoffballen gehandelt. Vornehme Herren in wadenlangen Mänteln mit Pelzkragen wandelten gemächlich zwischen den Ständen umher, und jeder wich ihnen ehrfürchtig aus. Träger und arme Leute gab es hier nicht.
    Außer Taleke.
    Sie sah sich um. In der Mitte des Platzes entdeckte sie einen Schandpfahl, an den eine Frau gekettet war. Ihr Hals steckte in einer Art hölzerner Zwinge, die Hände daneben in kleineren Ausschnitten. Taleke erschrak, fühlte sich aber trotzdem davon angezogen und näherte sich bedächtig. So konnte sie auch die Beschimpfungen verstehen, die die um den Kaak versammelten Mägde, Lehrjungen und Knechte ausstießen, während sie die Ärmste mit faulen Kohlstrünken, Pferdeäpfeln und anderem Unrat bewarfen. »Bierpanscherin!«, brüllten sie. »Hau ab aus Lübeck!«
    Taleke schluckte aufgeregt. Für so wenig konnte man aus der Stadt geworfen werden? Die Verwalter auf dem Gut hatten das Gagelbier ständig gestreckt, und niemand hatte sich beschwert. Schon gar nicht hatte jemand sie zur Verantwortung gezogen.
    Zu gerne hätte Taleke gewusst, was auf der Holztafel geschrieben stand, die man neben die Sünderin gehängt hatte. In einer Stadt musste man wohl mindestens lesen können, wenn man überleben wollte.
     
    In einer Nebenstraße des Marktes schließlich fand Taleke Buden, in denen allerlei Essbares feilgeboten wurde. Ihr blieb nichts übrig, als sich einen Happen zu kaufen, bevor sie verhungerte. Für einen halben Pfennig erstand sie Brot. Während die Marktfrau aus ihrem Beutel nach dem Scherf Wechselgeld suchte, wagte Taleke, um Rat zu fragen.
    Die Frau verzog missbilligend das Gesicht. »Du wirst keinen großen oder kleinen Kaufmann in der Stadt finden, der einer fremden Bettlerin Almosen gibt, Handwerker schon gar nicht. Unser sauer verdientes Geld spenden wir für lübeckgebürtige Witwen und alte Arme, die wir angemessen unterbringen, kleiden und beköstigen.«
    »Habe ich an deinem Stand gebettelt? Ich will arbeiten! Und ich möchte nur wissen, wo.« Mit Mühe hielt Taleke ihren Zorn zurück. Sie brauchte unbedingt den Ratschlag von jemandem, der die Lübecker Verhältnisse kannte.
    Die Frau musterte sie kurz. »Nun ja, ein hübsches Lärvchen hast du ja. Versuch es doch in einer der Spelunken, die brauchen immer jemanden.«
    »Lärvchen?«
    »Schnauze! Gesicht!«, fauchte die Frau und wandte sich einer Magd mit Haube zu, die mit allen Zeichen von Ungeduld ihren Einkaufskorb gegen ihre Beine schlenkern ließ.
    Nicht, dass Taleke gewusst hätte, warum sie ein hübsches Gesicht brauchte, um Holzteller und Becher abzuwaschen, aber wahrscheinlich nahmen die Wirte lieber junge, hübsche Mädchen, die auch den Schankdienst übernehmen konnten.
    Da sie sich nicht mehr erkundigen konnte, wo es diese Spelunken gab, musste sie sich wohl oder übel selbst auf die Suche machen.
     
    Dem Ratschlag des Mönches, sich zu waschen, war Taleke gefolgt, als es ihr wieder eingefallen war. Sie war nochmals zur Trave hinuntergegangen, um sich Gesicht und Hals sauber zu reiben, doch inzwischen war sie wieder dreckig und brauchte Wasser. Der Unrat, der neben den großen Schiffen im Wasser trieb, hatte sie anfangs nicht gekümmert. Aber da sie nicht das geringste Verlangen verspürte, sich zwischen treibenden Hundekadavern und menschlichen Exkrementen etwas gründlicher zu waschen, wollte sie es auf der anderen Seite des Stadthügels versuchen, wo ein Fluss namens Wakenitz die Stadt umfließen sollte.
    Wo die Gasse von der Jakobikirche bergab zu führen begann, ging es weniger vornehm zu. Zwischen den

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