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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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vielleicht nicht sein Leben auf dem Spiel, aber doch seine Tätigkeit als Stadtarzt von Lübeck.
    Gerade überlegte sie, was sie tun konnte, um ihrem derzeitigen Leben einen Anstrich von Normalität zu geben, als es klopfte. Mit dem rhythmischen Signal, das sie aus ihrem eigenen Haus kannte. Nur Volrad, Tideke, Rembert und der Medicus wussten davon. Doch sie blieb trotz allem vorsichtig. »Wer ist da?«, wisperte sie.
    »Ein Freund von Medicus Bertram«, flüsterte jemand zurück. »Er lässt Euch etwas Wichtiges ausrichten.«
    Am Flüstern war niemandes Stimme zu erkennen. Freunde des Medicus kannte sie ohnehin nicht. Aber wer wusste schon, dass sie hier Zuflucht gefunden hatte? Darüber hinaus konnte man den Boten schlecht draußen stehen lassen, denn es wohnten noch mehr Leute im Haus. Taleke schlug den Knebel zurück und öffnete.
    Der Kerl mit der Statur eines Riesen ließ ihr keine Zeit zu schreien. Eler, der Stallknecht der Puttfarckens. Er presste seine riesige Hand auf ihren Mund.
    »Hure!«, zischte er und drängte sie in das Zimmer zurück. »Gibst dich immer für was Besseres aus, stimmt’s?
Danke, du kannst gehen
«, äffte er Talekes Ton nach, mit dem sie ihn vor langer Zeit vor dem Stall verabschiedet hatte. »Aber ich weiß Bescheid über dich. Die Frau Puttfarcken hat mir genau erklärt, was du für eine bist.«
    Sie lügt, wollte Taleke rufen, aber sie konnte dieser schweren, rissigen Pranke, die nach Latrine, Schweinestall und Pferdepisse roch, nicht ausweichen, obwohl sie ihren Kopf nach hinten bog, bis ihr Hals Eler gänzlich ausgeliefert war.
    Er lachte dröhnend und kitzelte ihre Kehle mit einer Klinge, die sie nicht sehen konnte. »Ich würde dich gerne in meinem Verschlag auf den Rücken legen«, sinnierte er laut. »Aber die Ratsherrin will dich sprechen. Besser, man gehorcht ihr.«
    Taleke lief der Angstschweiß an den Schläfen hinunter.
    »Besser, man gehorcht ihr«, wiederholte Eler dröhnend. »Schwöre mir bei Jesus Christus, dass du ihrem Befehl gehorchen wirst, der da lautet, dass du brav an meiner Seite bleibst, ohne Widerstand zu leisten, bis ich dich bei ihr abliefere, damit sie mit dir sprechen kann!«
    Taleke streckte drei zitternde Finger in die Höhe.
    »Gut«, sagte Eler und nahm endlich das Messer von ihrer Kehle und die Hand von ihrem Mund. »Dann weißt du ja, was du zu tun hast. Du begleitest mich zum Haus der Puttfarckens, am besten mit deinem Kräutersack auf der Schulter. Falls dich jemand anspricht, tust du so, als ob ich dich zu einer Magd hole, zur Behandlung eines Weiberleidens. Wenn du unterwegs Laut gibst, wirst du nicht bei der Hausfrau ankommen, sondern landest stückweise in unserer Mistkuhle. Hast du alles verstanden?«
    Taleke brachte ein Nicken zustande.
     
    Sie schaffte es auch, einige wichtige frische Kräuter einzupacken, während ihr ganz andere Gedanken durch den Kopf wirbelten. Eler niederzustechen, ihn umzuwerfen und wegzulaufen, auf der Straße laut um Hilfe zu schreien, Asyl in einer Kirche zu begehren … Nichts erschien ihr durchführbar, und so ging sie Augenblicke später so gehorsam neben ihm her, wie er verlangt hatte.
    In Sichtweite von Sankt Jakobi wurde sie angerufen. »Meisterin Taleke! Welch unverhoffte Begegnung!«
    Sie sah auf. Bertram von Altkerke. Ihn schickte der Himmel! Trotz der niedrig hängenden Wolken und des leichten Nieselns, von dem man gar nicht wusste, ob es sich um Nebel oder Regen handelte, hatte er sie erkannt.
    »Ihr seid zu einer Kranken unterwegs?« Von Altkerke strich sich die Feuchtigkeit von der Stirn und musterte den Knecht mit gerunzelter Stirn.
    »Ja, zu den Puttfarckens.«
    »Zur Magd der Familie natürlich nur«, ergänzte Eler und zog Taleke am Arm mit sich. »Es eilt, kommt!«
    »Es eilt nicht«, widersprach Taleke kühn. »Es geht nur um einen Sud gegen Monatsschmerzen.«
    »Aber mir eilt es!«, blaffte Eler. »Ich habe anderes zu tun, als ein Weib zu einem Haus zu begleiten, von dem sie genau weiß, dass es sich in der Mengstraße befindet!«
    »Was die Blattern betrifft … Gibt es etwas Neues?« Von Altkerke lächelte Taleke innig an, augenscheinlich bestrebt, sie in ein längeres Gespräch zu verwickeln.
    »Ja, Maître von Altkerke. Die Blattern greifen neuerdings in bestimmten Kreisen um sich, vor allem in den Hinterhöfen der kaufmännischen Vorderhäuser. Maître Josse und ich haben das Gleiche in Paris beobachtet. Kurz vorher interessierte sich Maître Nicolaus Puttfarcken besonders für eine

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