Die Heilerin von Lübeck
leichthin.
»So, so.« Der Schiffer tat uninteressiert.
Volrad wartete ungeduldig. Seit dem frühen Morgen lungerte er in der Kleidung eines gewöhnlichen Seemanns an der Ecke herum, den wachsamen Blick stets auf das Giebelhaus der Puttfarckens gerichtet.
Endlich schlurfte eine gebeugte Frau aus dem Seiteneingang, der in der Mengstraße lag, den Einkaufskorb über den Arm gehängt. Sie hatte sich derart verändert, dass Volrad sie kaum erkannte.
Er ging ihr nach. Außer Sicht des Hauses eilte er an die Seite der Frau. »Bist du Elske?«, erkundigte er sich verhalten.
»Nein, nein«, murmelte sie und humpelte so zügig sie konnte vorwärts.
»Taleke schickt mich«, setzte er fort. »Sie schuldet einer Elske Geld. Aber wenn du das nicht bist …«
Das Weib blieb stehen und legte den Kopf schief, um ihm in die Augen sehen zu können. Er las Misstrauen in ihnen. »Ich will mit ihr nichts mehr zu tun haben. Aber das Geld kannst du mir aushändigen.«
»Also bist du die Elske.«
»Ja, ja doch! Diese Taleke hat mich betrogen! Sie ist nie wieder mit Briefen gekommen, und die Herrin hat mich aus der Kammer geworfen, weil ich kein Geld mehr hatte. Im feuchten Verschlag habe ich mir diesen Rücken geholt …«
»Es tut ihr leid. Aber da der Herr Nicolaus selbst zurückkam, war es nicht mehr notwendig, Briefe zu schicken.«
Elske grunzte erbost.
»Jetzt soll ich dir einen größeren Batzen geben, der lange für die Kammer reichen sollte.«
Die Magd streckte schweigend die Hand aus. Ihre Augen wurden angesichts des geöffneten Beutels rund und ungläubig. »Wie viel hast du selbst davon eingestrichen?«
»Ich bin ein ehrlicher Mensch«, beteuerte Volrad und versteckte vorerst den Beutel hinter seinem Rücken. »Meisterin Taleke sucht nach einer Godele, die sie vor einiger Zeit behandelt hat.«
»Kenne ich nicht.«
»Sie ist eine Dirne, noch sehr jung. Vielleicht hat der Herr Nicolaus sie kommen lassen.«
»Eine Metze? Unser Nicolaus?« Elske lachte gellend und schlug sich plötzlich die Hand vor den Mund, wie um das Lachen zurückzuhalten, und sah sich um. »Der bestimmt nicht!«
»Aber der Alte doch wohl auch nicht«, fügte Volrad in einem Ton des Zweifels hinzu, nachdem er sich selbst vergewissert hatte, dass in der Nähe keine Leute waren.
Jetzt kicherte Elske. »Nein, der auch nicht. Dem würde die Frau Puttfarcken Beine machen. Der Alte ist ein Feigling und der Junge ein Hurer, der es mit Männern treibt. Wenn deine Taleke die Godele sucht, soll sie mal den Stallknecht Eler fragen. Nur wird sie die Godele nicht mehr finden, er hat sie abgeschlachtet.«
»Bist du sicher?«, fragte Wittenborch und reichte ihr den Beutel mit Münzen.
Elske sah Volrad lauernd an. »Sicher, was heißt schon sicher? Jedenfalls hat er ihr beinernes Kreuz in seinem Bündel unter dem Stroh versteckt.«
Wittenborch atmete durch, dabei kramte er nach einer weiteren Münze, die er Elske in die Hand drückte.
Sie betrachtete sie unzufrieden. »Ich wette, der Eler hat von der Frau Puttfarcken mehr bekommen, obwohl sie so geizig ist.«
»Ich habe dir gerade einen gut gefüllten Beutel gebracht«, brummte Volrad.
»Für Briefe, die geschickt werden sollten und bei mir nicht ankamen, aber nicht für eine Auskunft«, keifte Elske.
»Na gut.« Wittenborch steckte ihr noch eine Münze zu. »Meisterin Taleke wird es mir ersetzen. Hat Frau Puttfarcken den Eler beauftragt, die Hure zu erschlagen?«
»Nehme ich doch an. Für Geld macht der alles.« Vor sich hin gluckernd schlurfte Elske in Richtung Markt weiter.
Wittenborch richtete seine Schritte zur Kompagnie der Bergenfahrer in der Knochenhauerstraße. Zwar hatte er noch keine Beweise für Nicolaus’ Untaten, aber was er wusste, wollte er der Kompagnie lieber jetzt als später vorlegen.
Der Schütting, die Versammlungsstube der Bergenfahrer, lag im Haus der Schonenfahrer, was die Bergenfahrer bald zu ändern gedachten, denn es gab oft Streit zwischen beiden Korporationen. Der Schütting wies sich durch eine kupferne Tafel mit einem fetten Lobben an der Fassade aus, während die Schonenfahrer einen Hering zur Schau stellten.
Sorgenvoll betrat Wittenborch das Haus.
Talekes Stimmung wechselte zwischen Bangen und Hoffnung. Sie spürte, dass ihre Lage immer gefährlicher wurde. Wenn die Stadtwache sie trotz allem aufspürte, konnte sie in wenigen agen bereits verurteilt und tot sein. Ganz dringend musste sie nochmals mit Bertram von Altkerke sprechen. Für ihn stand
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