Die Heilerin
nachdenklich an seiner Pfeife. »Ich weiß nicht, was Eva passiert ist, scheint mir ein Zeichen der Zeit zu sein. Es sind harte, raue Zeiten. Und uns muss bewusst werden, dass wir hier in Krefeld plötzlich Feinde haben. Eva ist nicht ein zufälliges Opfer gewesen. Was ihr passiert ist, geschah aus purer Absicht.«
Die Brüder schwiegen nachdenklich.
Kapitel 8
Es klopfte laut an der Haustür. Das Klopfen hallte durch den Flur, riss sie alle aus ihren Gedanken.
»Das wird der Magistrat sein oder der Gemeindevorsteher«, sagte Abraham leise. Er stand auf und ging die Diele entlang zur Tür.
»Meisje, tu mir den Gefallen und bring Mutter etwas Eintopf und Brot und einen Becher heißen Wein«, sagte Isaak zu seiner Tochter.
Margaretha fürchtete sich vor dem Anblick in der kleinen Kammer. Ihre Furcht war begründet, denn immer noch saß Gretje auf dem Bett und hielt das tote Kind fest in den Armen. Isaak hatte die Stundenkerze ausgetauscht, ein zweites Licht angezündet. Geisterhafte Schatten huschten über die Wände, schienen einen Totenreigen zu tanzen. Entsetzt sah Margaretha, dass Gretje Eva angezogen hatte. Das Kind trug nun die weiße Haube über dem kahlen Schädel. Sie wirkte noch mehr als zuvor, als ob sie nur schliefe.
»Mutter?«
Wieder reagierte Gretje nicht. Margaretha stellte die Speisen auf den Kasten, reichte der Mutter den Becher mit Wein.
»Trink wenigstens den Wein, Mutter. Du musst dich ein bisschen stärken.«
Gretje schaute nicht auf, rührte sich nicht. Nach einigen Minuten gab Margaretha auf, stellte den Becher zu der Schüssel, nahm die kalte Brühe, die ihre Mutter nicht angerührt hatte, mit nach unten.
Jakob Selbach, der Älteste des Gemeinderats, saß nun am Küchentisch. Margaretha blieb in der Türöffnung stehen, wusste nicht, ob sie eintreten sollte oder nicht.
Isaak schaute zu ihr, sah sie fragend an. Margaretha schüttelte leicht den Kopf, ihr Vater seufzte auf.
»Komm herein, Meisje, setz dich zu uns«, sagte er dann leise.
Margaretha setzte sich auf die Stuhlkante, knetete unruhig die Hände.
»Ich habe vorhin Bürgermeister Reiners getroffen, er war auf dem Weg zu Euch, Bruder Isaak. Aber bei den traurigen Nachrichten, die ihm noch nicht zu Ohren gekommen waren, nimmt er heute Abstand von einem Besuch. Er verspricht jedoch, eine Untersuchung anzuordnen«, sagte Jakob Selbach.
Isaak nickte.
»Des Weiteren wollte ich fragen, ob Ihr Hilfe aus der Gemeinde braucht?« Selbach sah in die Runde.
»Ich denke nicht. Meine Frau trägt schwer am Tod des Kindes. Sie hat es sehr geliebt, wir alle. Leben und Tod gehören wohl zusammen, aber Eva war uns ein ganz besonderer Schatz. Und auch die Umstände sind furchtbar.« Isaak schnaufte. »Aber mit Gottes Hilfe werden wir auch dies überstehen.«
»Lasst uns beten«, sagte Jakob Selbach und senkte den Kopf. Schweigend beteten sie. »Amen!«, sagte Selbach schließlich. »Bruder Isaak, dies war ja nicht der erste Angriff auf Eure Familie. Der erste hat kein so tragisches Ende gefunden, und doch beschäftigen mich dunkle Gedanken. Habt Ihr Feinde?«
»Feinde?« Isaak sah ihn verblüfft an. »Nein, wie kommt Ihr darauf?«
»Nun ja, erst Dirck und nun Eure kleine Tochter …«
Isaaks Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. »Ich halte das für einen schrecklichen Zufall. Dirck war zur falschen Zeit am falschen Ort und Eva ebenso.«
»Ich kann das kaum glauben, Bruder Isaak. Zweimal wird Eure Familie so bitterlich vom Schicksal getroffen?«
Isaak schwieg, sah Selbach lange an. »Doch, bei Gott, ich glaube nicht an eine böse Absicht unserer Familie gegenüber. Wir sind gottesfürchtige und ehrbare Menschen, unseren Lehrjungen und Gesellen geht es gut, wir helfen den Armen und Kranken. Wieso sollte jemand Zorn uns gegenüber verspüren?«
»Hatte Eure Frau in der letzten Zeit schwierige Fälle zu betreuen? Schwere, unglückliche Geburten? Kindbettfieber?«
Isaak schüttelte den Kopf, schaute dann aber fragend seine Tochter an. »Du hast sie doch in der letzten Zeit begleitet, war da etwas?«
»Nein, das erste Kind von Mevrouw van Holten kam gesund zur Welt, und das Wochenbett verlief leicht. Das vierte Kind von Mevrouw Loers kam fast, bevor wir da waren. Auch dort gab es keine Schwierigkeiten.« Sie überlegte. »Der Fuß eines der Tagelöhner war brandig, Mutter konnte nicht mehr helfen, hat aber den Chirurgen bezahlt. Sonst wüsste ich nichts.«
»Wie hieß der Tagelöhner?«, fragte Selbach aufmerksam.
»Das weiß ich nicht
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