Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
zusammengearbeitet und gute Dienste geleistet.«
Ärgerlich warf Prutze die Arme in die Luft. »Was wollt ihr denn noch alles verlangen? Irgendwann muss endlich mal Schluss sein!«
»Sagtet ihr nicht, ich dürfe beauftragen, wen ich will?«
»Ja, schon, aber ...«
»Also beauftrage ich neben der Nonne auch den Sohn des Stiftsverwalters. Ich werde gleich einen berittenen Boten nach Minden schicken, der Ludolf kommen lässt.«
Der Bürgermeister wandte sich zur Seite und gab den Ratsherren, Arnold Bassenberg und Ulrich von Engern einen Wink. Die Rintelner gingen ein Stück zur Seite und beratschlagten sich. Man hörte ein aufgeregtes Raunen und Zischen. Doch schon nach kurzer Zeit kamen sie zurück und gaben ihre Zustimmung zu Agnes’ Bitte. Am Nachmittag sollten sich alle Anwesenden noch einmal treffen. Vielleicht war zu der Zeit ja schon eine Nachricht aus Minden zurück. Dann sollte geplant werden, wie bei der Suche nach Kuniberts Mörder weiter vorgegangen werden sollte.
Die Äbtissin
Auf Bitten von Agnes begleitete der Domdekan sie ins Kloster. Er sollte erklären, was beim Bürgermeister beschlossen worden war. Johann von Rottorf hatte es sofort verstanden. Er erinnerte sich noch genau an die Szene von vorhin, als die Priorin Agnes gezüchtigt hatte. Er fragte die junge Nonne nicht nach den Gründen. Wenn sie meinte, dass die Zeit reif dafür sei, würde sie es ihm bestimmt sagen.
Einerseits war Agnes ganz aufgeregt, weil man Ludolf kommen lassen wollte. Sie hatte ihn schon so lange nicht gesehen – ungefähr ein Jahr nicht. Doch jetzt hatte sie die einmalige Gelegenheit, ihn wiederzutreffen, abermals mit ihm Nachforschungen anzustellen. Sie hatte sich über sich selbst gewundert, dass sie so spontan ihre Bitte geäußert hatte. Und das als einzige Frau unter all den Männern! Aber dann hatte sie das plötzliche Lächeln von Ludolfs Vater gesehen, sein schelmisches Augenzwinkern. Johannes hatte keine weitere Erklärung gebraucht, auch wenn Agnes die schlüssigsten Ausreden vorgebracht hätte.
Andererseits wurde ihr ganz mulmig, wenn sie an Greta von Hattelen dachte. Diese kleine, zart erscheinende Person, die mit eiserner Strenge und mitleidloser Kälte das Kloster leitete. Zu oft war Agnes schon mit ihr aneinandergeraten. Zu oft hatte sie unter den zermürbenden Strafen gelitten. Sie fühlte sich erschöpft, die Arbeit war so freudlos geworden. Sie vermisste das ruhige Möllenbecker Stift, den nahe gelegenen Hof ihrer Eltern und ihre gute Freundin und langjährige Förderin Äbtissin Heilwig 9 , die leider im letzten Jahr verstorben war.
Eine Novizin führte die beiden Besucher herein. Greta von Hattelen blickte mürrisch hinter ihrem Tisch auf. Sie konnte es auf den Tod nicht leiden, wenn man sie beim Führen dieser elendigen Inventarlisten störte. Ihre Augen waren nicht mehr die besten. Herausfordernd blieb sie sitzen. Sie sah es nicht ein, sich einem Domdekan unterzuordnen.
Rottorf unterrichtete die Äbtissin, welche Aufgabe Agnes bekommen hatte. Die Nonne war in allen Belangen zu unterstützen und durfte in der Ausübung ihrer Aufgabe nicht behindert werden. Sie war ab sofort von allen ihren Pflichten freigestellt.
»Das geht so nicht«, zischte Greta verärgert. »Jeder hier hat zu arbeiten. Was ihr verlangt, ist gegen die Regeln des heiligen Benedikt. Das ist nicht akzeptabel!«
Der Domdekan setzte wieder sein höflichstes Lächeln auf. »Ach? Euer Antrag auf Wechsel zu den Benediktinerinnen wurde doch gar nicht anerkannt. Dieses Kloster wurde von Zisterzienserinnen Anno Domini 1230 gegründet.«
Mit einer herrischen Bewegung winkte sie ab. »Es ist für uns eine Selbstverpflichtung.«
»Aber denkt immer daran, ihr seid dem Bischof unterstellt, ihr untersteht seiner Jurisdiktion. Und ich als Mitglied des Domkapitels und damit als Vertreter des Bischofs bestimme jetzt einfach, was gemacht wird. Schwester Agnes untersucht den Mord.«
Wutentbrannt sprang die Äbtissin auf. Ihr Stuhl flog krachend gegen die rückwärtige Wand. »Da ist immer noch die schlimme Verfehlung dieser Person! Das muss sofort geahndet werden! Sie hat ihre Strafe zu tragen!«
Nun veränderte sich auch der Gesichtsausdruck des Domdekans. Das höfliche Lächeln erstarb, und sein Blick wurde finster und streng. »Das wird besprochen, wenn die Aufgabe hier erledigt ist. Nicht eher!«
»Aber ungebührliches Verhalten muss bestraft werden!«
»Schwester Agnes war höchstens ungebührlich, weil sie ungerecht behandelt
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