Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Engern dafür gesorgt, dass er zum richtigen Zeitpunkt mit Maria allein in ihrer Wohnung war. Der Priester manipulierte das Kruzifix, sodass bei Kuniberts Heimkehr die weinende Christusfigur und das Gewitter einen Anfall bei Maria auslösen würden. Und so geschah es ja dann auch. Maria ergriff Kuniberts Messer und attackierte ihn. Er war zu überrascht, um sich gegen seine über alles geliebte Frau zu wehren.«
Der Bürgermeister war außer sich: »Das heißt ... das heißt ... der da ... der Hund da ... der ist der eigentliche Mörder?«
Sie nickte.
»Warum?«
»Wie wir schon festgestellt haben, hatte Bassenberg Angst, dass Kunibert den Missbrauch der jungen Nonnen bekannt machte und wer seine leiblichen Eltern sind.«
Noch bevor jemand etwas sagen konnte, polterte ein Soldat lautstark zur Tür herein.
Wütend wirbelte der Bürgermeister herum. »Was ist denn jetzt schon wieder? Andauernd schneit jemand hier herein und stört uns.«
Die Wache war völlig außer Atem. Mehrfach verneigte er sich vor den Anwesenden. »Etwas ... etwas Schreckliches ist passiert.«
Die Heilige von Rinteln
Sonntag, 12.8.1386
Ludolf und Agnes gingen Hand in Hand durch das Ostertor in Richtung Weser. Nach dem Mittagsmahl im Burgsitz des Klosters Möllenbeck mit ihren Eltern und den nächsten Verwandten wollten die beiden einen kleinen Spaziergang machen und einmal für sich allein sein, da sich für den Nachmittag noch mehr Verwandte zur Verlobungsfeier angesagt hatten.
Am Vormittag war außerdem die Bestätigung vom Bischof aus Minden gekommen, dass Agnes’ Gelöbnis aufgehoben worden war. Ab heute war sie keine Nonne mehr und durfte heiraten. Aber das hätten sie auch ohne die Erlaubnis getan. Zwei Jahre aufeinander zu warten, immer zwischen Glücksgefühl und Traurigkeit pendelnd, war genug.
»Und du willst mich wirklich heiraten?« Ludolf konnte es noch immer nicht fassen, dass diese wunderbare Frau bald für immer an seiner Seite sein würde.
»Sicher. Ohne mich bist du doch aufgeschmissen.« Dann streckte sie ihm die Zunge raus. »Bäh!«
»Meine Zunge ...«
»Ja, ja. Ich weiß schon, was du sagen willst«, unterbrach sie ihn frech. »Deine Zunge ist größer. Dafür ist meine aber wohlgeformter.«
»Genau wie der Rest von dir.«
Sie lief rot an, als sein begeisterter Blick an ihr herunterfuhr. Aber es gefiel ihr, denn sie wusste, wie leicht es ihr fallen würde, ihn um den Finger zu wickeln. Vor sich hin lächelnd und überglücklich schlenderten die beiden weiter. Dazu dieses herrliche Wetter, der schönste Tag ihres Lebens – ihres bisherigen Lebens. Der Hochzeitstag würde sowieso die Krönung sein.
Nach einiger Zeit fragte Ludolf: »Hast du keine Gewissensbisse mehr, weil du dein Gelübde nicht eingehalten hast?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Nach allem, was ich hier im Kloster erlebt und gesehen habe, nicht mehr.«
Inzwischen standen sie an der Weser und schauten über den Fluss in Richtung der Berge. Vor genau zwei Jahren, als sie zum ersten Mal einen Auftrag erhalten hatten, waren sie den Weg dort drüben entlangmarschiert, um die verschwundene Kuneke zu suchen. Weit dort hinten an der Schalksburg hatten sie ihre Liebe zueinander entdeckt.
»Ich habe heute Morgen gehört, dass der Jude wieder freigelassen worden ist«, berichtete Agnes.
»Mein Vater erzählte es mir. Der Bürgermeister hat sich entschuldigt und zahlt eine Entschädigung.«
»Das finde ich anständig.«
Ludolf stimmte zu. »Mal sehen, zu welchen Strafen Silixen, von Engern, sein Kumpan Hartwich, Bassenberg und von Hattelen verurteilt werden.«
»Und der Bischof muss schnellstens eine neue Äbtissin ernennen. Diese Margarete Rennemann ist kaum dazu geeignet.« Agnes lief ein Schauer über den Rücken, als sie an die allgegenwärtige Rute der Priorin dachte. Die Striemen spürte sie jetzt noch.
»Der Probst Reginus Westphal war jedenfalls peinlich berührt.«
Überrascht fragte sie: »Du hast ihn gesehen?«
»Er kam gestern Abend, es war fast Mitternacht. Der Domdekan ließ Vater und mich holen, damit wir berichten konnten. Die Versicherung des Probstes, dass er nichts mitbekommen hat, ist glaubhaft. Schließlich vertritt er St. Jakobi nach außen. Für die inneren Angelegenheiten ist die Äbtissin verantwortlich.«
Agnes und Ludolf waren ein Stück weitergegangen. Auf halber Strecke zum Wesertor blieben sie stehen. Hier, an der Stadtmauer, lagen zahlreiche Blumensträuße. Die meisten waren noch ganz frisch, vor
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