Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
einem Mutterschoß daheim sein und mit dem göttlichen Kind in uns in Berührung kommen. Dasgöttliche Kind ist – so sagt C. G. Jung – »ein die Gegensätze vereinigendes Symbol, ein Mediator, ein Heilbringer, das heißt Ganzmacher«. (Jung GW 9,1, 178) Das göttliche Kind verbindet in uns, was auseinander strebt. Es ist ein Bild für das wahre Selbst und drängt uns dazu, unser wahres Wesen zu verwirklichen. Und es ist Bild für die innere Erneuerung. Wenn wir das Bild des göttlichen Kindes in uns einbilden, dann wächst in uns die Hoffnung, dass wir einen neuen Anfang wagen. Es ist nie zu spät, anzufangen. Das göttliche Kind sagt uns: Jeden Augenblick ist Erneuerung möglich.
Andere Bilder, die wir uns einbilden sollen, bietet uns der Prophet Jesaja. Da ist das Bild der
Wüste, die aufblüht
. Die Wüste steht für das Vertrocknete in uns, für die innere Leere. Die Wüste, die unfruchtbar erscheint, blüht auf. (Jes 35,1 f.) Ähnlich ist das Bild von den Quellen, die in der Wüste hervorbrechen (Jes 35,6) oder von dem
Wasser
, das Gott in der Steppe fließen lässt. (Jes 43,20) Viele fühlen sich ausgetrocknet, ausgebrannt, leer. Alles fühlt sich an wie Wüste oder Steppe, unfruchtbar und leblos. Doch mitten in der Wüste gibt es Brunnen, gibt es Ströme lebendigen Wassers. Wenn wir dieses Bild in uns eindringen lassen, dann kommen wir in Berührung mit dem Lebendigen und Frischen in uns, mit dem Heiligen Geist, der uns befruchtet und bewässert. Bei einem Kurs »Kloster auf Zeit« war einmal ein Manager, der seit 15 Jahren aus der Kirche ausgetreten war. Er beschrieb sich als ausgebrannte Rakete. Er hat weiterhin viel gearbeitet. Aber es kam wenig dabei heraus. Es war nur äußeres Tun, das nicht aus seiner Mitte strömte. Während seines Aufenthaltes im Klosterbrachten ihn die biblischen Bilder, wie er sie in den Psalmen und in den Propheten hörte, in Berührung mit der inneren Quelle, mit dem Brunnen mitten in seiner Wüste. Er sog die Worte der Psalmen – etwa dass Gott die Quelle des Lebens ist (Ps 36,10) – wie ein trockener Schwamm in sich auf. Und mitten in seiner Wüste spürte er wieder lebendiges Wasser in sich.
Der Hebräerbrief spricht vom
Allerheiligsten
, in das Christus durch seinen Tod hineingeschritten ist. Der Autor meint: In der Hoffnung »haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele, der hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang; dorthin ist Jesus für uns als unser Vorläufer hineingegangen.« (Hebr 6,19 f.) Jesus selbst ist in das Allerheiligste auf dem Grund unserer Seele hineingegangen. Dort, in dem inneren Raum in uns, hinter dem Vorhang, für uns letztlich unsichtbar, dort ist Christus selbst in uns. Dort ist alles in uns heilig und heil. Dort kann niemand uns verletzen. Dort ist das Heilige, das der Welt entzogen ist, der Raum, in dem kein Mensch Macht hat über uns. Dort haben nur wir selber Zutritt. Aber kein Mensch mit seinen Erwartungen und Wünschen, mit seinen Urteilen und Verurteilungen hat dort Zutritt. Dort dürfen wir ausruhen, teilhaben an der Sabbatruhe Gottes. Dort ist alles in uns heil und ganz. Dort gibt es keine Verletzungen, keine Brüche, kein Scheitern. Dieses Bild schenkt uns Hoffnung, dass wir mitten in der Brüchigkeit unseres Lebens in uns etwas tragen, das dieser Brüchigkeit entzogen ist, einen Raum, in dem alles heilig ist, heil und ganz. Für eine Frau, deren Ehe zerbrochen war und die das Gefühl hatte, dass die juristischen Kämpfe um die Scheidung herumsie wund gerieben hatten, war das Bild des Allerheiligsten ein Hoffnungsbild. Mitten in ihrem Wundsein konnte sie sich in diesen inneren Raum zurückziehen, in dem alles heil war. Das gab ihr mitten in dem äußeren Chaos Halt und Geborgenheit.
In der Tradition galt der Evangelist Lukas als Maler. Er hat die Fähigkeit, so zu schreiben, dass ein Bild entsteht. Daher werden die Geschichten, die er uns erzählt, in unserem Innern zu Bildern, die sich in uns einbilden. Lukas war Grieche. Und als Grieche verstand er die Kunst des Malens mit Worten, von der der griechische Dichter Horaz spricht. Lukas malt ein literarisches Portrait Jesu. Er lässt die Gestalt Jesu sichtbar werden, indem er dessen Gesten und Blick beschreibt. So entsteht eine Atmosphäre, ein Gefühlsraum, in dem der Leser von Jesus angerührt wird. Indem Lukas das Bild Jesu malt, schafft er eine Wirklichkeit, die auf mich wirkt. Indem ich den Text lese und das Bild in mich einbilde, werde ich
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