Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
jüdischen Paschafestes. Am Paschafest mussten die Juden den alten Sauerteig aus dem Haus schaffen und nur ungesäuerte Brote essen. Und man schlachtete ein Lamm, um es in einem feierlichen Mahl zu essen. Das Blut des Lammes strich man an die Türe, um sich vor feindlichen Mächten zu schützen. Es ist ein uraltes Hirten- und Bauernfest, das Israel an Ostern gefeiert hat. Für die Israeliten war das äußere Geschehen in der Natur ein Bild für das innere Geschehen in der Seele. Wenn die Natur eine neue Ernte beschert, muss auch das Alte in uns herausgeworfen werden. Dieses alte Fest hat Israel umgedeutet in das Gedächtnis des Auszugs aus Ägypten, der großen Befreiung des Volks aus der Gefangenschaft Ägyptens. Paulus hat dann alle Elemente des jüdischen Paschafestes als Bild für die Auferstehung Jesu zusammengesehen.
Etwa um das Jahr 170, zu der Zeit, als der Philosoph Mark Aurel auf dem Kaiserthron saß, hielt der Bischof Meliton von Sardes eine berühmte Osterpredigt, in der er das jüdische Paschamahl als Bild für die Auferstehung nahm. Da sagt er: »Ohne Vorbild wird kein Werk errichtet. Um des Zukünftigen willen entsteht das Vorbild.« Für mich heißt das: Ohne Bild gibt es keine Zukunft. Bilder eröffnen uns neue Perspektiven für die Zukunft und ermutigen, einenAufbruch in ein neues Land zu wagen. Aber es gibt auch Bilder, die uns die Zukunft verbauen, die uns in der Vergangenheit festhalten wollen. Von ihnen müssen wir uns lösen. Sie müssen wir wie den alten Sauerteig aus uns heraus werfen.
Gehen wir den Bildern nach, die Paulus auf die Auferstehung hin deutet. Das erste Bild ist das des Paschalammes, das für uns geschlachtet wurde, damit wir ein Fest feiern, damit wir das Paschalamm in Freude essen. Wir tun uns mit diesem Bild des Opferns heute schwer. Für Paulus war die Erinnerung an das Opfer des Paschalammes etwas Positives. Es besagt, dass Jesus sein Leben für uns eingesetzt hat, dass er seinen Kopf für uns hingehalten hat. Wir sind so wertvoll, dass er sich für uns hingegeben hat. Die Reaktion des Paulus auf das Opfer ist nicht, dass wir schulderfüllt und beschämt sind, sondern dass wir ein festliches Mahl feiern.
Der Blick auf das Opfer des Paschalammes will die Bilder des Opfers, die wir in uns tragen, aus uns heraus werfen. Wenn ich Menschen begleite, spüre ich hinter ihrem Jammern oft dieses Bild des Opferlammes: Es ist ja alles so schwierig und es ist alles zu viel. Alle wollen etwas von mir, alle haben Erwartungen an mich. Pascal Bruckner, ein französischer Philosoph hat das als lähmende Grundhaltung unserer Zeit kritisiert, dass alle sich als Opfer fühlen und Schuld immer nur bei anderen suchen, statt selbst Verantwortung zu übernehmen. Wir dürfen uns nicht in der Opferrolle einrichten. Verena Kast hat in ihrem Buch »Abschied von der Opferrolle« gezeigt, dass das Opfer oftzum Täter wird: Wenn ich mich mit so großen Bildern wie Opferlamm identifiziere, geht von mir Macht aus und ein ständiger Vorwurf an die anderen. Wir können das Bild des Paulus so verstehen: Christus ist unser Opferlamm, damit wir die Bilder des Opferlammes aus uns heraus werfen, damit wir aus der Passivität ausbrechen und aktiv das Leben in die Hand nehmen.
Das zweite Bild: Wir sollen den alten Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit aus uns heraus werfen. Im Griechischen steht hier kakia und poneria. Kakia meint etwas, das nicht so beschaffen ist, wie es sein sollte. Und Poneria meint die Mühe, das was uns aufreibt, überfordert. Wir haben oft Bilder in uns, die das wahre Bild verstellen, das Gott sich von uns gemacht hat. Und diese Bilder überfordern uns. Bilder, die eine zeitlang durchaus gut sind, etwa das Bild des Helfers, das uns vom Kreisen um uns selbst befreit, können sich auch verbrauchen. Dieses Bild kann uns überfordern, weil wir immer und überall jedem helfen wollen. Oder das Bild, für andere verantwortlich zu sein. Auch dieses Bild kann sich überleben, wenn wir uns für alles und jedes in unserer Umgebung verantwortlich fühlen und uns überall einmischen. Es gibt alte Bilder, die jetzt ausgedient haben, die einfach nicht weiterführen. All diese alten Bilder sollen wir aus unserer Seele, aber auch aus unserer Gesellschaft hinauswerfen. Oder sie müssen verbrannt werden, damit wir wie Phönix uns aus der Asche der verbrannten Bilder erheben können.
Ohne Bild keine Zukunft. Das wird deutlich am dritten Bild, das Paulus auf die Auferstehung anwendet.
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