Die heimliche Braut
of Kent.”
Ah ja, richtig, die schöne und stolze Lady Joscelind und ihr ebenso stolzer wie dünkelhafter Vater! Nicholas fragte sich, was die beiden wohl tun würden, sobald sie erfuhren, dass sie ihren Gastgeber wie einen Dienstboten herumkommandiert hatten. Das versprach interessant zu werden, wenngleich die zwei, betrachtete man ihr Naturell, es möglicherweise als Kränkung ansahen, dass er sich ihnen nicht offenbart hatte. Dafür müsste er sich noch eine plausible Erklärung einfallen lassen.
Zum Fenster zurückgeschlendert, sah Nicholas, dass die Magd nach wie vor neben dem Karren stand. Allerdings trat sie von einem Fuß auf den anderen, so als reiße ihr allmählich der Geduldsfaden. “Das sind aber nur neun”, bemerkte er mit einem Blick über die Schulter. “Wer ist denn die Zehnte?”
“Niemand von Bedeutung, Mylord. Ja, eigentlich hätte ich den beiden den Zutritt zum Schlosshof verwehren sollen. Aber der Kerl war nun einmal im Besitz einer Adelsurkunde, und Ihr hattet befohlen, dass alle Damen von edlem Geblüt berücksichtigt werden sollten. Diese Anforderung wird von seiner Nichte erfüllt.”
Wie zuvor auf dem Burghof hob Nicholas fragend die Augenbraue. Jene Dienstmagd hatte es ihm gleichgetan und ihn dadurch insgeheim mehr überrascht und amüsiert als … nun, seit langem jedenfalls. “Wer ist denn dieser Edelmann mit Urkunde, der deiner Meinung nach hier nichts zu suchen hat?”
“Ein Schotte, Mylord. Der Thane of Glencleith. Ich habe die Schotten unter unseren Männern befragt. Ihrer Aussage nach hält er ein kleines Lehen im Norden. Politisch ist er völlig unbedeutend und, soweit ich gehört habe, obendrein ziemlich arm.”
“Nur ein schottischer Adliger hat sich herbemüht?”
“Jawohl, Mylord.”
Ein Einziger bloß! Dabei war er, Nicholas, ein Lord in diesen Gefilden! Offensichtlich scherte es die Schotten nicht, dass er seinem Lehen den ursprünglichen Namen zurückgegeben oder dass seine Schwester in einen der schottischen Clans eingeheiratet hatte. Nach wie vor sahen sie wohl in ihm in erster Linie einen Vertreter der unerwünschten Normannen, die sich in Schottland breit machten.
Doch was immer sie von ihm denken mochten – er hatte sich Dunkeathe verdient, und er gedachte es auch zu behalten, störrische Schotten hin oder her. Falls er zu diesem Zwecke des Geldes und des Einflusses wegen heiraten musste, so sei es!
Eine Faust donnerte ans Türblatt. Nicholas wirbelte herum. Im selben Augenblick flog schon die Tür auf und ein stämmiger, muskulöser, grauhaariger Schotte mit Bart und ausladendem Bauch stürmte ins Gemach, angetan mit der typischen rockähnlichen Landestracht.
Ehe Nicholas eine Erklärung von ihm verlangen konnte, blieb der Eindringling stehen, stemmte die Hände in die Hüften und strahlte den Burgherrn und seinen Stellvertreter an. “Hier steckt Ihr also!”, rief er in deutlich akzentgefärbtem Französisch. “Erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Mylord! Ich vermutete Euch im Burghof und dachte, Ihr würdet Eure Gäste begrüßen. Offenbar aber haben Normannen eine andere Vorstellung von Höflichkeit.” Er schaute sich im Gemach um, bevor er seinen Blick wieder auf Nicholas richtete. “Wunderbares Schloss habt Ihr da! Diese Kammer ist zwar ein wenig karg, doch seid Ihr erst verheiratet, wird Eure Gemahlin das schon verändern!”
Nicholas’ erster Gedanke war, dass dieser Kauz nicht recht bei Trost sein konnte. Robert schaute drein, als müsse er jeden Moment in Ohnmacht fallen.
“Mylord, ich … ich …”, stammelte der Burgvogt sichtlich entsetzt und außer Stande zu erklären, was da vor sich ging.
Inzwischen war Nicholas zu der Ansicht gelangt, dass der Schotte zwar tollkühn, aber harmlos war. “Willkommen auf Dunkeathe”, erwiderte er und bedachte seinen Verwalter mit einem Blick, der ihm bedeuten sollte, dass er ihm keinen Vorwurf machte.
Allmählich gewann Robert die Sprache wieder. “Mylord, dies ist Fergus Mac Gordon Mac Darbudh, der Thane von Glencleith.”
Der verarmte, politisch unbedeutende schottische Ritter!
Einerlei, was man persönlich von dem Sonderling halten und wie mittel- und bedeutungslos er sein mochte – Nicholas war klar, dass er diplomatisch vorgehen musste. Obgleich inzwischen zehn Jahre in Schottland zu Hause, durchschaute er immer noch nicht die verzwickten Verhältnisse zwischen den Clans. Möglicherweise besaß dieser Mann Verwandte, die politisch weitaus wichtiger waren als er selbst.
Also
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